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Kurzbeschreibung des Verlags
Der Goncourt-Preisträger Mathias Enard erzählt aus der Perspektive eines Scharfschützen über den Krieg und die Realität von Kriegsgewalt – eine mutige und radikale Geschichte.
Auf Konzentration kommt es an, auf Geduld und Atemkontrolle. An einem guten Tag reicht ihm ein einziger perfekter Schuss. Er ist zwanzig, der beste Scharfschütze der belagerten Stadt. Wenn er von seinem Posten auf dem Dach heruntersteigt, genießt er die Angst, die er verbreitet. Furchtlos ist nur Myrna, das Mädchen, das für seine demente Mutter sorgt – das er beschützen und besitzen will. Dies ist ein Roman über den Krieg aus der Perspektive eines Mörders, der sein Selbstwertgefühl aus der Eleganz seiner Treffer zieht. Kalt spricht der Erzähler von seinem Handwerk, dem Töten, und offenbart eine Wahrnehmung, in der die Verbindung zwischen gelungenem Schuss und ausgelöschtem Leben gekappt ist. Ein erbarmungsloser Text über die sich verselbständigende Realität von Kriegsgewalt.
Mit zwei gewichtigen und virtuosen Werken hat Mathias Enard, Jahrgang 1972, in den letzten Jahren Publikum und Kritik überzeugt. Für den verspielten Gelehrtenroman „Kompass“ erhielt er 2015 den Prix Goncourt. Bereits 2008 hatte er in dem mindestens so beeindruckenden, interpunktionslosen Erzählfluss „Zone“ den Mittelmeerraum als eine „ausgeweitete Kampfzone“ dargestellt. Der nun in deutscher Übersetzung, im französischen Original bereits 2003 erschienene Text „Der perfekte Schuss“ kann als Präludium zu dieser breiten Kriegsschilderung verstanden werden.
Der Scharfschütze, der als Protagonist und Ich-Erzähler im Zentrum des Geschehens steht, könnte eine Figur aus den Balkankriegen sein. Die Biografie des Autors legt allerdings nahe, ihn im Libanon zu verorten: Enard hat jahrelang im Nahen Osten, und da vor allem in Damaskus und Beirut gelebt. Erzählt wird also aus der Innensicht eines Snipers; eines verkommenen Individuums, geformt durch eine von Gewalt und den Wahnsinn der Mutter bestimmte Kindheit.
Die desaströse familiäre Situation ist eingebettet in die hysterische Atmosphäre eines chaotischen Mehrfrontenkampfes. Kurz scheint ein 15-jähriges Mädchen menschliche Regungen zu wecken. Doch auch in dieser Situation obsiegt die Gewalt. Die einzige Ordnung, die der Protagonist kennt, ist die (militärische) Unterordnung, seine einzige Freude die „Vollkommenheit des Schusses“ – der kontemplative Akt des Anlegens, des geduldigen Zielens, der lautlose Tod des anvisierten Objekts.
Die brutale Perversität des Erzählers macht beim Lesen zunächst wenig Freude, durch die konsequent eingehaltene Ich-Perspektive besteht die Versuchung, den Autor dafür verantwortlich zu machen. Und bei der bloßen Inhaltsangabe könnte leicht der Verdacht entstehen, man hielte ein Landser-Heft in der Hand, das Hardcore-Gelüste für Sex and Crime bedient.
Nach vollbrachter Lektüre scheint die Veröffentlichung dieses Prosaerstlings allerdings als gerechtfertigt: eben als „Vorschau auf die „Zone“, aber auch im Hinblick auf die ihm eigene literarisch Qualität. Der Text beweist Enards Gefühl für Struktur und Rhythmus, das sich auch der Beschäftigung mit Lyrik verdankt, gleich mit dem ersten Satz: „Das Wichtigste ist der Atem. Das ruhige und langsame Ein- und Ausatmen, die Geduld des Atems.“ Es lohnt sich also genauer hinzusehen, auch, weil es Sabine Müller gelingt, in ihrer Übersetzung das pneumatische Pulsieren des Originals nachfühlbar zu machen.