

Hilfe, in meinem Bauch wächst ein Macho in spe!
Barbara Tóth in FALTER 13/2024 vom 27.03.2024 (S. 17)
Feministin sein und Söhne großziehen - wie geht das? Die deutsche Autorin Shila Bejaht, Jahrgang 1982, Mutter zweier Söhne im Alter von zehn und acht, fragt sich: Wieso rangeln meine Söhne, wieso raufen sie miteinander, wieso sind sie dauernd laut, wieso erfüllen sie eigentlich alle Rollenklischees der toxischen Männlichkeit, inklusive Interesse für Krieg, Waffen und Gewalt? Wieso färben meine emanzipatorischen Lebensprinzipien so wenig auf sie ab? Habe ich als feministische Mama versagt?
Bejaht schreibt aus einer besonderen Perspektive. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Perser, zudem Angehöriger einer religiösen Minderheit im Iran, sie fühlte sich also doppelt und dreifach zurückgesetzt: als Frau, als Migrantin, als Angehörige einer religiöse Minderheit. Wie viele Kinder der zweiten Generation wurde sie zur Leistung erzogen, zum Funktionieren, zum Reüssieren.
So wie man Mädchen heute eben erzieht. Ihr seid stark, ihr könnt alles werden, setzt eurem Leben ja keine Grenzen! Das ist die Errungenschaft des Kampfes um Gleichberechtigung. "Als Feministin beobachte ich mit Begeisterung, wie sich die Welt für Mädchen, zumindest in der westlichen Hemisphäre, immer mehr zum Besseren ändert. Als Mutter zweier Söhne jedoch frage ich mich, wo die Jungen darin bleiben. Keine Mutter sagt doch zu ihren Kindern ständig: 'Stellt euch hinten an.' Als Feministin erwarte ich das aber eigentlich von Männern, also auch von meinen Söhnen. Das empfinde ich als grossen Widerspruch", sagte sie in einem Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger.
Diesen Widerspruch beschreibt Bejaht im Buch immer wieder. Als Mutter will man seine Kinder natürlich beschützen und ihnen alles ermöglichen. Als Feministin mit Söhnen denkt man schnell: Erziehe ich damit den Macho von morgen? Den kleinen Narzissten? Den Mansplainer, den, der glaubt, alles dreht sich um ihn und er weiß es immer besser?
Aber Bejaht hat keinen Erziehungsratgeber geschrieben, sondern "ein Streitgespräch mit mir selbst", wie es im Untertitel heißt. Eine wichtige Beobachtung gibt sie einem dann doch mit: Dass Buben weniger Zärtlichkeiten erhalten und diese untereinander auch weniger leben dürfen als Mädchen. Auch erwachsene Männer berühren sich kaum und haben wenig Worte für ihre Befindlichkeiten. Burschen hören ab einem gewissen Alter auf, sich zu umarmen, weil es gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. Und das sei schade, das dränge Männer geradezu in eine falsche Ecke.
Und dann arbeitet sich Bejaht an ihrem -ziemlich manichäischen Verständnis von Feminismus ab. Für sie sind Männer tatsächlich zuallererst potenzielle Gefährder, toxische Männlichkeit allgegenwärtig und das männliche Prinzip immer das andere, der Gegner. Im Laufe des Buches mildert sie ihre feindselige Sichtweise ab, auch dank der Beschäftigung mit der Erziehung ihrer Söhne.
Was ist ihr Fazit? Stereotype feministische Überzeugungen und Rollenklischees bringen uns nicht weiter. Gleichberechtigung heißt, dass sich beide Geschlechter emanzipieren. Und am Ende heißt das auch, dass wir Burschen fördern müssen, etwa dort, wo Mädchen inzwischen die Überhand haben, zum Beispiel in Schulen und an Universitäten. "Ich möchte meine Söhne beschützen. Und zwar unter anderem auch vor meinen eigenen Verallgemeinerungen: davor etwa, dass ich sie so sehr als Söhne, und damit als Männer, wahrnehme und nicht einfach als Kinder." Oder später einfach als Menschen. Das würde uns in vielen Situationen weiterbringen. Ein lesenswertes Buch, nicht nur für Feministinnen.