Von Spinnen und Menschen

Eine verwobene Beziehung
256 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783446281325
Erscheinungsdatum 19.08.2024
Genre Sachbücher/Natur, Technik/Natur, Gesellschaft
Verlag Hanser, Carl
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HerstellerangabenAnzeigen
Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

Architektur, Wissen, Geschichte, Kunst und Sprache – die Spinne und ihr ungeahnter Einfluss auf unsere Kultur
Nominiert für den Wissenschaftsbuchpreis 2025

Nützliche Mitbewohnerinnen, Ekelobjekte oder verblüffende Wesen? An Spinnen scheiden sich die Geister. Von manchen bewundert für ihre kunstvollen Netze und das Archaische ihrer Erscheinung, von anderen gefürchtet. Aber warum ist das so? Dieses Buch dringt tief in das Beziehungsgeflecht von Spinnen und Menschen vor. Es zeigt den Einfluss der Spinnen auf unsere Sprache, Wissen, Träume und Geschichte. Warum verglich man Napoleon mit einer Spinne? Wie prägte die christliche Symbolik die Abneigung gegenüber Spinnen? Und wieso wurden gleich drei Weltraummissionen von Spinnen begleitet? Jan Mohnhaupt lockt die Spinne kulturhistorisch aus ihrer dunklen Ecke und zeigt die vielen Verbindungen zwischen Spinne und Mensch. Eine arachnologische Apologie, wie es sie bisher nicht gab.

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FALTER-Rezension

"Wir sollten Spinnen dankbar sein!"

Katharina Kropshofer in FALTER 36/2024 vom 06.09.2024 (S. 42)

Haben Sie Angst vor Spinnen? Dann sind Sie nicht alleine. Schätzungen gehen davon aus, dass fünf bis 30 Prozent der Bevölkerung Furcht und Ekel empfinden, wenn sie einer Spinne begegnen. Arachnophobie, so der Fachausdruck, ist fast so normal wie eine Abneigung gegenüber Mathematik. Da hilft es nicht, dass sich giftige Arten wie die Schwarze Witwe, Braune Violin-oder Nosferatu-Spinnen immer weiter nach Norden ausbreiten.
Erst Anfang Juli berichteten italienische Medien über einen (möglichen) Todesfall eines 52-jährigen Sizilianers durch eine Braune Violinspinne. So kommen die winzigen Tiere vor allem bei uns vor: als Horrormeldung. Doch warum eigentlich? Der Autor Jan Mohnhaupt hat sich auf eine Spurensuche nach dem Ursprung dieser schwierigen Beziehung gemacht.

Falter: Herr Mohnhaupt, nicht alle Menschen finden Spinnen faszinierend. Sie hingegen leben seit 25 Jahren mit Vogelspinnen zusammen. Woher kommt dieses Interesse?

Jan Mohnhaupt: Ich kann mich dunkel erinnern, dass ich schon im Kindergarten Spinnen und Skorpione gemalt habe. Dann habe ich das gemacht, was viele Kinder machen: Ameisen oder Fliegen in Netze von Kreuzspinnen zu werfen oder sie in Gläsern zu fangen. Irgendwann haben mir die einheimischen Spinnen nicht mehr gereicht, also habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich eine Vogelspinne will. Sie hat gemeint: "Wenn du das mit 14 auch noch willst, kriegst du eine." So war es dann auch.

Ihre Familie ist generell angstbefreit, wenn es um Spinnen geht?

Mohnhaupt: Wir hatten immer Aquarien, viele Pflanzen, also ein Interesse an allem, was lebt. Als ich ein Jugendlicher war, Mitte der 90er-Jahre, fanden dieses Haustier nicht alle so toll. Aber man trifft auf Gleichgesinnte und landet schnell in der Welt der Tierbörsen und Terrariengeschäfte. Den Leuten, die dort einkaufen, sagt man oft nach, sie seien Zuhälter oder aus irgendeiner Halbwelt. Deswegen sind diese Geschäfte auch nie an den schönsten Ecken zuhause - in Wien gibt es eines auf der Äußeren Mariahilfer Straße.

Woher kommen diese Vorurteile?

Mohnhaupt: Gerade im "christlichen Abendland" gibt es diesen Blick auf Spinnen als Tier des Teufels, als etwas Abseitiges, das man nicht so richtig einordnen kann. Leute, die sich mit solchen Geschöpfen abgeben, müssen also eine finstere Seite haben.

Sie sehen diese Mythen als Ursprung der Abneigung. Welche halten sich am hartnäckigsten?

Mohnhaupt: Sehr stark ist die Geschichte der Weberin Arachne aus der griechischen Mythologie: eine Frau, die sich gegen das Patriarchat in Form der Götter-Familie stellt. Sie fordert Athene zu einem Wettstreit in der Webkunst heraus, gewinnt, wird bestraft - und bezeichnenderweise in eine Spinne verwandelt (siehe rechts). Ein Wesen, das am Boden lebt, herumkriecht. In anderen Kulturen hat dieses Erdverbundene nichts Negatives, sondern steht oft sogar für Weisheit. Ein zweites Beispiel ist Jeremias Gotthelfs Novelle "Die schwarze Spinne"(Schweizer Priester und Autor aus dem 19. Jahrhundert, Anm.). Das ist nicht nur spinnenfeindlich, sondern auch misogyn.

Worum geht es da?

Mohnhaupt: Es ist eine alte Erzählung aus der Schweiz über ein Bauernhaus, in dem ein auffälliger Holzpfosten steht, in dem der Teufel leben soll. Wie ist er reingeraten? Das Bergdorf soll von einem Fürsten terrorisiert worden sein, die Bauern mussten sein Schloss ausbauen und konnten so nicht mehr die Ernte einholen. Bis eine Art Handelsvertreter kommt, der ihnen die Sorgen abnehmen kann, im Austausch aber ein ungetauftes Kind will. Eine Bäuerin, die eine Außenseiterin ist, lässt sich darauf ein, als Besiegelung bekommt sie einen Kuss auf ihre Wange. Und dann bricht sie diesen Pakt, das Kind wird doch getauft, ihre Wange platzt auf und Spinnen kommen raus. So bricht über das ganze Dorf eine Armada an Spinnen herein, die das Wasser vergiftet und die Äcker versengt - bis der Teufel in Gestalt der Spinne wieder in diesen Pfosten gesteckt wird. Solche Geschichten prägen bis heute die Sicht auf diese Tiere.

Oft haben Sagen oder Mythen einen wahren Kern. Richten Spinnen wirklich Schaden an oder sind sie ausschließlich Nützlinge?

Mohnhaupt: Eigentlich überwiegt das Positive, Spinnen halten uns viel vom Leibe. Aber das kommt in Märchen und Volkssagen kaum vor. Stattdessen wird behauptet, der Netzbau wäre ein Zeichen von Egoismus, weil die Spinne ihr Werk nur für sich baut, gierig Fliegen und Mücken fängt - im Gegensatz zu Ameisen und den Bienen, die in einem sozialen Staat leben und im Fall der Bienen dem Menschen ihre Produkte "überlassen". So wird die Spinne zum "wertlosen" und folglich auch schlechten Tier. Dabei sind Menschen die eigentlichen Egoisten.

Können wir ihre Fäden gar nicht nützen?

Mohnhaupt: Man wusste lange nicht, wie man Spinnen richtig melken kann. Seidenraupen siedet man einfach, dann löst sich der Faden und man kann ihn aufrollen. Zuerst braucht man Spinnen, die so viel Material produzieren, dass es für industrielle Mengen reicht. Und dann müsste man sie ernähren. Seidenraupen füttert man mit Maulbeerblättern. Spinnen müsste man einzeln halten, damit sie einander nicht fressen, und sie mit Insekten füttern - ein riesengroßer Aufwand. Ein Textilexperte und ein Designer haben aber bereits einen Schal und ein Cape aus Spinnenfäden hergestellt. Forscherinnen experimentieren mit Spinnenseide in der Chirurgie. Sie versuchen, sie als Matrix zu nützen, um darauf Körperzellen zu züchten. Die Seide besteht großteils aus Eiweiß, der Körper stößt sie also nicht ab, gleichzeitig ist sie aseptisch - das gibt es kaum in der Natur.

Nicht überall ist diese Abneigung so ausgeprägt.

Mohnhaupt: In vielen Ländern Afrikas zum Beispiel verbinden die Menschen mit Spinnen nicht nur Negatives. Obwohl dort viele Spinnen durchaus schmerzhaft beißen können. Vogelspinnen gibt es in Afrika zuhauf, aber die meisten Spinnenmythen aus der Region sind positiv bis ambivalent. Es gibt etwa Anansi, eine Art Gauner, Trickster. Es ist jemand, vor dem man sich in Acht nehmen soll, aber dem auch Respekt gezollt wird. Für die Mapuche wiederum, ein Indigenenvolk in Südamerika, ist Weben essenziell. Dort gibt es den Mythos, dass eine Spinne den Vorfahren beigebracht hat, wie man Fäden miteinander verwebt.

Es gibt noch einen anderen Erklärungsansatz für die Angst vor Spinnen: Unsere Vorfahren seien ihnen aus dem Weg gangen, um kein Risiko einzugehen, sollten sie giftig sein.

Mohnhaupt: Es gibt keine Beweise dafür, dass es diese giftigen Spinnen in den Breiten gegeben hat, wo diese Angst so stark ist. In Indien oder Australien, wo es deutlich gefährlichere Spinnen gibt, müsste diese Angst viel stärker sein. Ist sie aber nicht. Es gibt aber auch eine andere Theorie: Wenn ein junger Schimpanse eine Spinne oder eine Schlange sieht, hat er keine Angst. Wenn er dann aber beobachtet, wie ein erwachsenes Tier ängstlich reagiert, übernimmt er das. So könnte es auch bei uns passieren, wenn Kinder mitkriegen, wie ihre Eltern eine Spinne oder eine Biene töten oder verjagen.

Wie durchbricht man das?

Mohnhaupt: In vielen Familien ist es weniger Angst, sondern Desinteresse aufgrund von fehlendem Kontakt. Das merke ich auch bei Leuten, denen ich von meinen Vogelspinnen erzähle. Viele sagen: "Ich komme dich nie besuchen!" Aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand, der dann vor den Terrarien steht, schreiend wegrennt. Den Blick können die Menschen dann nicht mehr davon wenden. Das ist immer wieder schön zu sehen.

Es fehlt viel Wissen, manche halten Spinnen für Insekten. Würde es etwas ändern, wenn wir sie besser kennen würden?

Mohnhaupt: Ich denke schon. Würde jemand behaupten, dass Graz die Hauptstadt von Österreich ist, würden auch alle sagen: "Geh du noch einmal in die Schule!" Aber Naturwissen hat weniger Relevanz. Ein Insekt hat sechs, Spinnen haben acht Beine. Zu sagen, eine Spinne ist ein Insekt, wäre so, als würde ich behaupten: Eine Elster ist ein Fisch. Außerdem sollten wir Spinnen dankbar sein! Wenn man sich anschaut, was sie uns vom Leibe halten, wie viele lästige Insekten sie vertilgen. Ich empfehle den Leuten immer, Spinnennetze nicht wegzumachen.

Was macht Spinnen liebenswürdig?

Mohnhaupt: Ich finde ihren Bewegungsablauf wahnsinnig spannend und beeindruckend. Wie man sich mit acht Beinen so grazil bewegen kann! Und auch die vielen verschiedenen Lebensentwürfe in der Spinnenwelt: Spinnenmännchen, die ihrer Braut Geschenke mitbringen, oder Springspinnen, die wahnsinnig intelligent sind und aussehen, als hätte sie Walt Disney designt. Die Ameisenspringspinne lebt etwa als Ameise getarnt im Ameisenhügel, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Sie hebt ihre beiden vordersten Beine hoch, als wären sie Fühler. Manche Studien gehen sogar davon aus, dass einige Arten träumen können. Das sind wahnsinnig kognitive Leistungen für ein Wesen mit einem Hirn, das so groß wie ein Mohnkorn ist.

Gibt es parallel zum Insektensterben eigentlich auch ein Spinnensterben?

Mohnhaupt: Wir wissen es nicht genau, aber auf Roten Listen tauchen auch immer mehr Spinnenarten auf. Insekten haben zum Teil eine bessere Lobby, es gibt viele Leute, die sich um Honigbienen kümmern. Bei Spinnen gibt es das noch nicht so.

Viele Spinnen ernähren sich von Insekten. Finden sie vielleicht einfach weniger Futter? Mohnhaupt: Bei Spezialisten ist das sicher der Fall. Viele Radnetzspinnen sind weniger wählerisch und nehmen alles, was ins Netz geht. Schwarze Witwen -die in Europa immer weiter nördlich vorkommen -halten sich gerne auf Baustellen auf. Sie sitzen auf Dixi-Klos unter der Klobrille, weil dort viele Fliegen vorbeikommen. Keine guten Nachrichten für Phobiker.

Was verpassen Menschen, die Angst vor Spinnen haben?

Mohnhaupt: Wahnsinnig viel. Ich muss nicht weit reisen, ich kann einfach auf die Fensterbank oder Zimmerdecke schauen und schon entdecke ich eine neue Welt. Es ist aber auch eine Form von Angst, die gesellschaftlich akzeptiert ist. Der Arachnologe Peter Jäger spricht von einem "gepflegten Ekel". Es ist nichts Ehrenrühriges, zu sagen: "Ich habe total Angst vor Spinnen." Leider.

Was also tun?

Mohnhaupt: Es gibt natürlich die klassische Konfrontationstherapie, mittlerweile sogar mit Virtual Reality, wo einem im virtuellen Raum eine Spinne auf die Hand gesetzt wird. Es gibt aber auch eine Studie aus Israel: Die Forscher haben Menschen mit Spinnenphobie Ausschnitte aus Spiderman-Filmen gezeigt. Und gemessen, dass ihre Angstreaktionen danach nachgelassen haben.

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