Diesseits der Mauer

Eine neue Geschichte der DDR 1949-1990
592 Seiten, Hardcover
€ 28.8
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783455015683
Erscheinungsdatum 04.05.2023
Genre Sachbücher/Geschichte/Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
Verlag Hoffmann und Campe
Übersetzung Franka Reinhart, Henning Dedekind
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
Harvestehuder Weg 42 | DE-20149 Hamburg
produktsicherheit@hoca.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags





»Ein erfrischender Perspektivwechsel.« 


Sachbuchbestenliste von ZEIT, ZDF und DLF Kultur Juni 2023



Ein bahnbrechender neuer Blick auf das Leben in der DDR


War die DDR ein graues Land voller hoffnungsloser Existenzen? Die renommierte Historikerin Katja Hoyer zeigt in ihrem überraschenden Buch auf profunde und unterhaltsame Weise, dass das andere Deutschland mehr war als Mauer und Stasi.


Die Geschichtsschreibung der DDR wird bis heute vom westlichen Blick dominiert. Mit dem Fokus auf die Verfehlungen der Diktatur wird dabei oft übersehen, dass die meisten der 16 Millionen Einwohner der DDR ein relativ friedliches Leben mit alltäglichen Problemen, Freuden und Sorgen führten. Die Mauer schränkte die Freiheit ein, aber andere gesellschaftliche Schranken waren gefallen. 


Katja Hoyer schildert jetzt vierzig Jahre deutschen Sozialismus aus der Sicht derer, die ihn selbst erlebt haben. Dafür führte sie zahlreiche Interviews mit ehemaligen Bürgern der DDR aus allen Schichten. Das Ergebnis ist eine neue Geschichte der DDR, die nichts beschönigt, aber den bisherigen Blick auf die DDR auf ebenso lebendige wie erstaunliche Weise erweitert, präzisiert und erhellt. 







»Eine spannende Lektüre für diejenigen, die diese Zeit nicht erlebt haben.« Marcus Heumann, Deutschlandfunk


»Ihr Buch trifft einen Nerv.« Maxi Leinkauf, der Freitag


»Ihre Erzählweise ist angelsächsisch locker, sie stellt Menschen in den Mittelpunkt, die in der DDR geblieben sind.« Sabine Rennefanz, Der Spiegel




Mehr Informationen
ISBN 9783455015683
Erscheinungsdatum 04.05.2023
Genre Sachbücher/Geschichte/Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
Verlag Hoffmann und Campe
Übersetzung Franka Reinhart, Henning Dedekind
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
Harvestehuder Weg 42 | DE-20149 Hamburg
produktsicherheit@hoca.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

"Die Brandmauer bricht ein in OSTDEUTSCHLAND"

Tessa Szyszkowitz in FALTER 36/2024 vom 06.09.2024 (S. 12)

Sie ist vom Wahlergebnis in Thüringen und Sachsen nicht überrascht. Katja Hoyer kennt die Stimmung in den deutschen Bundesländern im Osten, in der ehemaligen DDR. Nicht nur ist sie in Brandenburg aufgewachsen. Sie war gerade auf Recherchereise dort. Im Falter-Gespräch versucht die Wahlengländerin, ihren Landsleuten gerecht zu werden. Die DDR wurde nach der deutschen Einheit 1990 abgewickelt. Die Unterschiede zwischen Ost-und Westdeutschland aber zeigen sich bis heute -auch in den Wahlergebnissen in Thüringen, wo die AfD 32,8 Prozent erhielt. In Sachsen blieb sie mit 40 Mandaten knapp hinter der CDU mit 41 Sitzen.
Falter: Frau Hoyer, Deutschland, auch Europa ist im Schock nach diesem Wahlergebnis. Ein Drittel der Stimmen für eine Partei in Thüringen, die der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft. Wie erklären Sie sich das?

Katja Hoyer: Es hat viel mit der Unzufriedenheit mit der Politik in Berlin zu tun. Man bekommt immer wieder gesagt: Ja, wir wollen der Koalition einen Denkzettel verpassen. Viele Wähler der AfD wollen demokratisch in der Wahlkabine ihren Unmut ausdrücken, und das muss man auch einfach zur Kenntnis nehmen. Es ist zu einfach gesagt, dass das alles rechtsradikale Nazis sind, weil die Partei in Thüringen als rechtsextrem eingestuft wird.

Die Nachwahlbefragung ergab aber: Die Leute wählen Af D nicht einfach nur aus Protest, sondern auch aus Überzeugung.

Hoyer: Man kann eine Protestwahl von Inhaltlichem nicht klar trennen. Migration steht immer ganz, ganz oben bei den Leuten auf der Liste. Sie wollen Migration kontrollieren und reduzieren. Da wählen eben viele Leute die AfD, auch wenn ihnen andere Teile des Programms nicht in den Kram passen. In vielerlei Hinsicht ist die AfD eine extrem wirtschaftsliberale Partei. Beim Mindestlohn ist sie nicht mitgegangen. Sie will den Markt nicht regulieren. Das wollen aber viele der Wähler, weil das oftmals auch Leute aus der Arbeiterschicht sind, die bessere Arbeitsbedingungen fordern und damit wirtschaftlich gesehen eher linksgerichtet sind. Sie wählen trotzdem die AfD, weil ihnen dieses Migrationsthema so wichtig ist.

Warum ist den Leuten aber Einwanderung so wichtig, der Osten hat ja gar nicht so viele Migranten, die kommen wollen?

Hoyer: Es gab vor 1990, also in Zeiten des Kalten Krieges, in der DDR eigentlich keine Einwanderung, einmal abgesehen von ein paar Studenten und Vertragsarbeitern. Das war keine Gesellschaft, die sich divers zusammengesetzt hat. Seit 1990 steigt die Immigration aber, zunächst aus Osteuropa und aus der ehemaligen Sowjetunion - und dann mit der Flüchtlingskrise 2015 aus dem Nahen Osten und aus Afrika. Das hat die Städte verändert. Ich wohne seit über zehn Jahren in Großbritannien, und jedes Mal, wenn ich nach Ostdeutschland zurückkehre, sieht man einen enormen Unterschied, wenn man nach Cottbus, nach Dresden, nach Leipzig, nach Erfurt fährt. In Köln oder in Stuttgart hat man diesen Trend schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg gehabt, als die ersten Gastarbeiter kamen. Dort ist man daran gewöhnt, in einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft zu leben. Und der Unmut steigt dort ja auch. Deshalb ist auch die AfD deutschlandweit mittlerweile die zweitbeliebteste Partei in den Umfragen, aber eben nicht so stark, wie das im Osten der Fall ist.

Gegründet wurde die Af D von EUkritischen Akademikern. Parteichefin Alice Weidel stammt aus Gütersloh in Nordrhein-Westfalen. Björn Höcke selbst kommt nicht aus Thüringen, sondern aus Lünen in Westfalen. Wieso ist die Af D eine Partei der Ostdeutschen geworden?

Hoyer: Die AfD hat erkannt, dass sie den Osten als eine Art Sprungbrett für die Bundespolitik nutzen kann. Das ist klar in der Strategie zu erkennen. Die heutige Parteienlandschaft ist in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Dort sind die Loyalitäten zu Parteien viel stärker. Im Osten wurde das Parteiensystem 1990 übernommen -es ist dadurch nicht so tief verwurzelt. Man sieht das in den Statistiken, wie viele Mitglieder in einer Partei sind. Die Leute sind mobiler, was Politik angeht. In der AfD-Wahlkampagne gab es Plakate "Der Osten macht's" oder "Vollendet die Wende" oder "Wende 2.00". Es geht um die Ostidentität, aus der man dann ein "Wir gegen die","Wir gegen die da oben" macht: Land gegen Staat, das Volk gegen die Metropoleliten. Außerdem wählt dieser Wählerpool auch zum Beispiel das Gendern ab. Weil: "In der DDR hat man mir auch bestimmte Redensarten vorgeschrieben, die man dann zuhause oder im Privaten nicht verwendet hat, aber die man im öffentlichen Bereich verwenden sollte." Die Leute reagieren extrem sensibel darauf, wenn man ihnen vorschreibt, wie man reden soll, wie man zu leben hat. Als die Grünen versuchten, 2023 das Heizungsgesetz durchzudrücken, um die fossilen Brennstoffe in Zukunft in Privatheizungen Stück für Stück durch erneuerbare Energien auszuwechseln -das war genau das Gleiche. Viele Wählerinnen und Wähler haben gesagt: Ich lasse mir nicht von der Politik vorschreiben, wie ich zuhause zu heizen habe. Die Idee, dass die Politik ins Privatleben eingreift, wird im Osten ganz sensibel wahrgenommen.

Liegt der Erfolg der Af D auch daran, dass viele gut ausgebildete Frauen rund um die Jahrtausendwende abgewandert sind und die Männer sich selbst überlassen blieben?

Hoyer: Ich gehöre selber auch zu dieser Generation junger Frauen, die noch im Osten aufgewachsen sind, studiert haben und dann weggegangen sind. Von daher muss ich mir diesen Vorwurf auch regelmäßig anhören: dass wir daran schuld sind. Ich weiß, das haben Sie jetzt nicht so gemeint, aber so ist es. Wenn wir im Englischen von den left behind reden, den Zurückgelassenen, dann ist das im Fall des Ostens wortwörtlich der Fall. Die sind oft älter, das ist auch eine Generationenfrage. Und sie sind eher männlich als weiblich. Das verändert das Klima. Die Hoffnung fehlt, wenn die eigenen Kinder nicht mehr da sind. Man sieht die Enkel nicht mit aufwachsen, weil die Leute im Westen wohnen oder sogar im Ausland - wenn man so übertreibt wie ich, die gleich richtig weit nach England weggezogen ist. Es gibt Städte wie Leipzig oder Jena oder Dresden, die sich sehr gut gemacht haben. Aber in ländlichen Gegenden, die zum Teil die Hälfte der Bevölkerung verloren haben, herrscht Verfall. Wenn Kino und Theater zumachen, der Fleischer aufgibt, kein Bäcker mehr im Dorf ist, der öffentliche Nahverkehr eingestellt wird. Dann entsteht Pessimismus und auch Wut.

Das ist nicht nur in ländlichen Gebieten in Ostdeutschland der Fall. In Thüringen aber stellt sich jetzt die Frage, ob jemand wie Björn Höcke mit seiner Af D mitregieren darf. Hält die Brandmauer noch?

Hoyer: Die Brandmauer ist in Ostdeutschland auf der Kommunalebene schon mehrfach eingebrochen. Wenn ich in diesen östlichen Gegenden frage: "Steht die Brandmauer noch?", dann wird nur darüber gelacht oder abgewinkt und gesagt: "Wie soll ich hier regieren ohne die AfD?" Wenn die große Teile und manchmal die Mehrheit in den Kommunalregierungen ausmacht? Die Bundes-CDU sagt der Thüringer CDU, ihr könnt nicht mit der AfD koalieren. Wenn man sich das genauer ansieht, stehen Teile der Thüringer CDU schon weit rechts. Manche in der Thüringer CDU sagen: Warum arbeiten wir nicht einfach mit der AfD zusammen? Dann können wir anfangen, uns um Sachen wie Migration zu kümmern, wo es Schnittmengen gibt. Aber noch steht die Brandmauer.

Statt der Af D könnte die CDU in beiden Bundesländern, Thüringen und Sachsen, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) koalieren. Ist das für die CDU leichter zu verkraften?

Hoyer: Ich sehe die große Gefahr, dass es zwischen AfD und BSW eine große Schnittmenge gibt - in Thüringen könnte das für eine Mehrheit reichen. Das hat Sahra Wagenknecht zwar mehrfach auf Bundesebene ausgeschlossen, aber man kann es als Druckmittel benutzen. Das BSW wird zum Königsmacher. Wenn man anfängt, die Brandmauer nach links einzureißen, dann sagen manche Leute innerhalb der CDU in Thüringen: Wieso machen wir das nicht auch nach rechts?

Sahra Wagenknecht setzt sich dafür ein, keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Hat sie vergessen, was die Russen nach dem Krieg und in der DDR alles verbrochen haben? Kann die CDU da mit?

Hoyer: Michael Kretschmer, der CDU-Chef in Sachsen, der wahrscheinlich auch Ministerpräsident bleibt, ist auch auf diesem Kurs. Die Gründe dafür sind komplex. Im Osten steht ganz oben die Angst vor Russland. Die Idee, dass der Krieg eskaliert. Ich höre immer Sprüche wie "Napoleon hat rausgefunden, dass man sich mit den Russen nicht anlegt". Das hat viel mit der eigenen Erfahrung zu tun. Der Osten wurde nicht wie der Westen von den Westalliierten eingenommen, sondern von der Roten Armee. Das hat zu Plünderungen, Massenvergewaltigungen, Ermordungen geführt. Andererseits verbinden viele Menschen in der DDR mit Russland auch positive Erinnerungen. Viele waren in Russland zum Studieren. Es gab Austauschprojekte, viele hatten eine russische Brieffreundin. Ich habe auch noch Russisch in der Schule gelernt.

Spielt bei Wagenknechts prorussischem Kurs auch ein starkes antiamerikanisches Ressentiment mit?

Hoyer: Es gibt eine tiefe Skepsis gegenüber der Nato. Sie gilt manchen als aggressives Angriffsbündnis, das seinen Einfluss Richtung Osten ausweitet. Damit ist man aufgewachsen. Da wird heute gesagt, das ist ein Konflikt zwischen Russland und den USA, der sich als Stellvertreterkrieg in der Ukraine auftut. Und noch eine Ebene: Es geht um eine Anti-woke-Haltung. Die liberalen Eliten - die werden eben auch mit dem Westen verknüpft. Putin vertritt das Gegenmodell. Das greift bei der AfD tief.

Vor den Wahlen hat die Ampelkoalition noch schnell mit Abschiebungen nach Afghanistan begonnen.

Hoyer: Auf dem Flug nach Afghanistan saßen 28 Schwerkriminelle. Einer hat ein elfjähriges Mädchen vergewaltigt. Ein anderer war an der Massenvergewaltigung eines 14-jährigen Mädchens beteiligt. Die haben auch jeder noch einmal 1000 Euro in die Hand bekommen, damit das rechtssicher ist. Damit haben die wenigsten Menschen in Deutschland ein Problem. Wenn man nach einer Tat wie in Solingen nicht reagiert, dann wird nur die AfD gestärkt.

Deutschland aber galt als Garant für eine aufgeschlossene, liberale, demokratische Grundhaltung. Nähern wir uns wieder den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts an?

Hoyer: Im Ausland ist man davon ausgegangen: Ach, Deutschland, macht doch so was nicht. Es bleibt immer langweilig. Mir wurde oft in den vergangenen Jahren gesagt: "Wie du das immer schaffst, die deutsche Politik interessant zu machen!" Die Zeiten sind vorbei.

weiterlesen

Diesseits und jenseits der Mauer

Tessa Szyszkowitz in FALTER 19/2024 vom 10.05.2024 (S. 22)

In Großbritannien wird sie gefeiert, in Deutschland verrissen. Die Historikerin Katja Hoyer, die in Ostdeutschland aufwuchs und heute in London am King's College forscht, zerstöre in "Diesseits der Mauer" Mythen. In Deutschland dagegen hagelt es für die deutsche Übersetzung Kritik. Sie sei "einseitig, grotesk verkürzt, faktische Fehler"(Spiegel). Hoyer ist Generation Oral History, sie hat die Chronologie der DDR anhand von persönlichen Schicksalen erzählt. Das Resultat: ein packendes Sachbuch.

weiterlesen

Wer diesseits und jenseits der Mauer sitzt

Tessa Szyszkowitz in FALTER 21/2023 vom 26.05.2023 (S. 20)

In Großbritannien wird sie gefeiert, in Deutschland verrissen. Die Historikerin Katja Hoyer, die in Ostdeutschland aufwuchs und heute in London am King's College forscht, zerstöre in "Diesseits der Mauer" Mythen, lobte The Times: "Sie argumentiert, dass die DDR nie eine Chance hatte, dank der Einmischung des Kremls und einer mittelmäßigen Elite." In Deutschland dagegen hagelt es für die deutsche Übersetzung, die am 4. Mai erschienen ist, Kritik. "Ihre 'neue Geschichte der DDR' ist so denn auch nicht nur enttäuschend, sondern ein veritables Ärgernis", keucht die Rezensentin im Spiegel und beklagt: "Einseitig, grotesk verkürzt, faktische Fehler." Da Hoyer -sie schreibt als Kolumnistin der Washington Post regelmäßig über deutsche und europäische Politik - es inzwischen auch in Deutschland auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft hat, wird sie etwaige Fehler in der zweiten Auflage beheben können.
Was die deutschen Kritiker aber so ärgert, sind ja nicht Ungenauigkeiten. Hoyer verzichtet darauf, sämtliche Literatur zu Ostdeutschland zu zitieren. Der Liebling der Deutschen, die Fußnote, wird mit Füßen getreten. Hoyer ist Generation Oral History, sie hat sich erlaubt, die Chronologie der DDR anhand von persönlichen Schicksalen zu erzählen.

Das Resultat: ein packendes Sachbuch. Sehr eindrücklich ist ihr Anfangskapitel über die deutschen Kommunisten, die vor den Nazis nach Moskau geflohen waren. Dort erging es den meisten nicht besser als zuhause: "Stalins Säuberungen waren so weitreichend, dass nur ein Viertel der deutschen Exilanten überlebte." Nur zwei erwischte Stalins Terror nicht: Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht. Gerade diese überloyalen Stalinisten bauten dann die DDR auf. So beginnt deren Geschichte damit, dass sie von der Sowjetunion ausgeraubt wurde. Westdeutschland hatte den Marshall-Plan der Alliierten, Ostdeutschland wurde von sowjetischen Soldaten geplündert.

Die DDR konnte laut Hoyer als sozialistischer Staat mit offenen Grenzen neben dem anderen Deutschland auf Dauer nicht existieren: "Die DDR subventionierte die Mieten, richtete eine umfassende und bezahlbare Minderbetreuung ein und begann mit dem Bau von Wohnungen", schreibt sie: "Doch ein qualifizierter Ingenieur konnte im Westen jederzeit mehr Geld verdienen." Der Arbeiteraufstand 1953 wurde hart niedergeschlagen. Als 1961 drei Millionen Ostdeutsche dem Arbeiter-und Bauernstaat den Rücken gekehrt hatten -80 Prozent davon über Berlin -, baute Walter Ulbricht die Mauer.

Ganz neu ist diese Geschichte der DDR nicht, Hoyer aber legt den Fokus nicht nur auf Täter und Opfer im Unterdrückerstaat DDR. Die vier Jahre vor dem Fall der Mauer geborene Historikerin erzählt auch von den vielen, die sich arrangierten. Eine jüngst veröffentlichte Privatnachricht von Springer-Chef Mathias Döpfner, in der er mitteilte, "die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig", gibt Hoyers Anliegen recht, das verschwundene Land noch einmal auferstehen zu lassen. Kindergärtenplätze für alle, berufstätige Frauen, darunter eine, die deutsche Kanzlerin wurde. Auch wenn von Angela Merkel bis Katja Hoyer niemand die DDR zurückhaben will, so tut eine ostdeutsche Perspektive dem westlich geprägten Diskurs gut. Denn wer saß damals hinter und wer "diesseits der Mauer"?

Schon Wolf Biermann sang 1973, zwei Jahre vor seiner Ausweisung in die BRD, in "Enfant Perdu":"Jetzt sitzt er hinter der Mauer und glaubt, dass er vor ihr sitzt."

weiterlesen