
Das Ende des Degrowth oder: Build, Baby, Build!
Andreas Sator in FALTER 49/2025 vom 03.12.2025 (S. 20)
Linke Politik hat sich verirrt, und zwar mit den besten Absichten. Das ist die Analyse der beiden linksliberalen Journalisten Ezra Klein und Derek Thompson in "Der neue Wohlstand". Die beiden kritisieren aber glücklicherweise nicht die woke Identitätspolitik der vergangenen Jahre. Ihr Argument ist erfrischender: Die Linke ist sehr gut darin, umzuverteilen. Sie ist auch gut darin, Banken oder den Wohnbau zu regulieren. Und in Form der Ökologiebewegung hat sie es perfektioniert, Projekte wie Autobahnen oder Kraftwerke zu verhindern.
Wenn die Linke eine bessere Zukunft und Wahlen gewinnen möchte, muss sie jetzt wieder lernen, wie sie Projekte ermöglicht. Eindrucksvoll zeigt sich das etwa beim Wohnen. Es gibt unzählige Vorschriften, wer wann wie wo zu welchen Bedingungen bauen darf. Jede davon, etwa das Vorschreiben von Tiefgaragen, die Widmung von Flächen, die Vermeidung von Lärm oder der Schutz von Arten, hat oder hatte zumindest einmal für sich genommen eine Berechtigung.
In Summe sorgen sie aber dafür, dass das Angebot an Wohnungen und Häusern zu klein ist und die Preise daher viel zu hoch. Der Staat hat also im Laufe der Zeit das Ziel aus den Augen verloren. Er hat so viele Partikularinteressen berücksichtigt, dass er am Ende des Tages eine seiner wichtigsten Prioritäten links liegen ließ: leistbares Wohnen.
Der Staat wird hier nicht von zwei Marktradikalen kritisiert, sondern von zwei Linksliberalen, die großes Interesse daran haben, dass er wieder besser funktioniert. Denn für die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts braucht es effektive, moderne Bürokratien. Klein ist in den vergangenen Jahren Ikone der New York Times geworden, Thompson ist bekannt für seine Essays für den Atlantic. Ihr Buch ist voller anschaulicher Beispiele.
Eines davon: der gescheiterte Bau eines Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes zwischen Los Angeles und San Francisco. Der Bau wurde 2008 eingeläutet und sollte seit 2020 fertig sein. Schuld ist neben strengen Umweltgesetzen und mühsamen Enteignungsprozessen auch, dass es den kalifornischen Behörden an planerischen Kompetenzen fehlt. Viele Vorhaben wurden ausgelagert, weil man nicht das Personal dafür hatte. Hier hat sich neoliberales Denken auch bei den Demokraten eingeschlichen. So viel wie möglich die Privatwirtschaft machen lassen, weil sie es besser kann als der Staat.
Die Lektüre lohnt sich, denn das Buch macht nicht bei Kritik halt, sondern liefert jede Menge Ideen, wie es besser geht. In der Forschung sei es etwa verrückt, die besten Köpfe die halbe Woche mit dem Ausfüllen von Anträgen und Abrechnungen zu beschäftigen. Ein Vorbild ist für die Autoren DAR-PA, die Defense Advanced Research Projekts Agency.
Sie hatte durch ihre mutige Art, Forschungsprojekte mit unsicherem Ausgang zu finanzieren, ihre Finger in der Entwicklung des Internet, GPS, des Computers und selbstfahrender Autos. Was macht DARPA so erfolgreich? Eine Mischung aus hoher Kompetenz und wenig Auflagen.
Das Buch überzeugt durch eine Mischung aus akribischer Recherche und guter Lesbarkeit. Seine Grundidee ist eine willkommene Loslösung von der Logik des Zuviels, wie es etwa die Degrowth-Bewegung betreibt, oder der ermüdenden Staatskritik des Neoliberalismus, hin zu einem pragmatischen Verständnis: Was wollen wir erreichen und wie kommen wir dahin? In den USA sorgt das Buch seither für breite Debatten. Es seien ihm viele Leser in Österreich gegönnt.


