

Sebastian Kiefer in FALTER 6/2011 vom 11.02.2011 (S. 19)
Wer Hunde "liebt", macht aus ihnen eine Biomasse zur Befriedigung allzumenschlicher Bedürfnisse. Wo man Nationen und Völker "liebt", sind Chauvinismus, Kolonialismus, Führergesinnung nicht weit. Eine der beunruhigendsten Traditionen des Christentums halluzinierte, Gott sei Liebe schlechthin und der Mensch habe Gott und die Seinen dementsprechend "gehörig" zu lieben.
Im Namen von Demut, Selbstlosigkeit und Hingabe wurde das Transzendente anthropomorphisiert – und die Demagogen konnten nun im Namen der "Liebe" Gottes jene unerbittlich strafen, die ihnen nicht gehorchen wollten. Die sich schwärmerisch "hoch" gebende, inwendig voll mit grausamen Fantasien, Überhebungen, Masochismus und Therapiewünschen steckende "mystische" Liebe ist ein unverrückbares Erbteil des Christentums. Mechthild von Magdeburg hat diesem seine lyrischste Gestalt verliehen.
Der lehrreich kommentierte Band unterminiert allerdings den eigenen Anspruch, weil das Nachwort ohne jede kritische Distanz diese Erblast als aktuelle Form religiöser Rede bewirbt.