

Journalistin bis ins Grab
Margaretha Kopeinig in FALTER 14/2022 vom 06.04.2022 (S. 26)
"Scheidungswaise, Kleineleutekind, Britin, Halb-Serbin, Linke, Feministin, Kabarettistin, Punksängerin, Akademikerin, Auslandskorrespondentin, kinderlos, zwei Mal Gattin, Abenteuerin, Kriegsreporterin, Chefredakteurin." So stellt sich Sonia Mikich selbst vor. Das reicht für zwei, drei Leben. Mikichs journalistische Karriere beginnt mit Texten über Popkultur, die in Emma erscheinen. Alice Schwarzer motiviert sie, journalistisch weiterzuarbeiten. Sie landet im Westdeutschen Rundfunk (WDR), dort geht es steil nach oben bis zur Chefredakteurin (2014-2018).
Aber ein Enthüllungswerk über einen großen Sender wollte Sonia Mikich mit ihrer Autobiografie bewusst nicht vorlegen. "Nachträgliche Häme ist schlechter Stil", formuliert die Autorin. Doch was guter Journalismus ist und sein sollte, darüber lässt die ehemalige Kriegsberichterstatterin keinen Zweifel aufkommen.
Nachhaltiger Journalismus heißt für sie, auf die Defizite menschlichen Zusammenlebens hinzuweisen, Inhalte nicht schnell abzuhaken und zum nächsten Thema zu rasen. Sie pflegte und pflegt Skepsis gegen alle ismen. Miesmacher und Kritiker im Kollegenkreis sind ihr lieber als leichte Kaliber, die nichts anderes umtreibt als Aufstieg und Kontostand. Die Kraft der Empörung, Disziplin und inhaltliche Kompetenz war für Sonia Mikich immer die Energie, die sie brauchte, um die vielen Extrameilen zu gehen, um es nach ganz oben zu schaffen. "Das ist es, was zählt" - für unbestechlichen Journalismus.
In luftigen Höhen angekommen, spürte sie sehr rasch, wie rau der Wind da war. "Widersprüche und Kompromisse aushalten zu können schärft den Blick. Ambivalenzen zu ertragen macht stärker", das musste sie üben. "Journalistin ist man bis zum Grab", sagte sie vor einigen Jahren in Focus. Als langjährige Russland-Korrespondentin und Putin-Kennerin ist sie in Interviews und Diskussionen aktuell wieder sehr präsent und hilft, den Krieg in der Ukraine einzuordnen.