

Sophie Hungers Roman: So eigen und toll wie ihre Songs
Sebastian Fasthuber in FALTER 11/2025 vom 14.03.2025 (S. 30)
Die Schweizer Sängerin und Musikerin Sophie Hunger schlägt gern Haken. Grundsätzlich hat sie sich auf zärtlich-intensive Songs spezialisiert. Innerhalb dieser Vorgabe bricht sie immer wieder aus. Von jazzigem Folk bis zu elektronischen Beats und dem Komponieren von Filmmusik reicht ihre Bandbreite.
Nun hat sie ihren ersten Roman geschrieben. In "Walzer für Niemand" erzählt sie von einer ungewöhnlichen Kindheit und Jugend, einer extrem engen, aber auch gefährlichen Freundschaft -und von der immensen Kraft, die Musik ausüben kann.
Die Ich-Erzählerin wächst in einer Diplomatenfamilie auf, sie ist an Umzüge und Schulwechsel gewöhnt. Halt geben ihr zwei Dinge: ihr Freund Niemand, mit dem sie alles teilt, und das Stöbern in der elterlichen Plattensammlung.
Die Klänge üben eine ungemeine Faszination auf sie aus: "Lange war uns nicht klar, dass das Menschen waren, also dass die Stimmen, die aus den Lautsprechern kamen, zu anderen Menschen gehörten."
Es war fast zu erwarten, dass Hunger keinen linear erzählten Roman in Alltagssprache vorlegen würde. Aber wie eigenständig der Blick ihres Erzähldebüts ist, überrascht dann doch.
"Walzer für Niemand" treibt zudem ein perfides Spiel mit dem autobiografischen Erzählen. Die Heldin dieses Coming-of-Age-Romans ist von der Herkunft bis zum Einschlagen einer musikalischen Laufbahn sehr nahe an Hunger gebaut. Aber es ist nicht sie.
Die Hauptfiguren treten nur zu zweit in Erscheinung und interagieren kaum mit ihrer Umgebung. Das schräge Duo ist eines der stärksten Paare in der Literatur der letzten Jahre. Schade nur: Je mehr sich die Ich-Erzählerin in die Musik stürzt und Konzerte gibt, umso mehr geht ihr Niemand verloren.
Sophie Hunger hat einen sehr schönen, lebensklugen Roman geschrieben, der gekonnt zwischen Tragik und Komik balanciert.