

Sex, Gewalt und Ennui, fesselnd in Szene gesetzt
Sebastian Fasthuber in FALTER 3/2023 vom 18.01.2023 (S. 36)
Bret Easton Ellis ist zurück. Dabei schien der US-amerikanische Skandalautor leergeschrieben. Sein mauer letzter Roman "Imperial Bedrooms" erschien 2010. Danach versuchte er sich eher erfolglos als Drehbuchautor und veröffentlichte zuletzt mit dem Langessay "Weiß" (2019) einen halbherzigen Versuch, Millennials zu provozieren. "The Shards" führt nun erneut in sein ureigenes Territorium -das L.A. der frühen 1980er, wie er es schon in seinem Debüt "Unter null" schilderte. Diesmal ist er selbst der Held, zumindest heißt die Hauptfigur Bret Easton Ellis. Dieser rekapituliert traumatisierende Ereignisse, die sich in seinem letzten Highschool-Jahr ereignet haben sollen. Wie viel davon wahr ist, spielt letztlich keine Rolle.
Weit wichtiger: Ellis ist es endlich wieder gelungen, ein Buch mit Sogwirkung zu schreiben, das einen an der Gurgel packt und nicht mehr auslässt. "The Shards" verbindet eine Serienmörder-Geschichte mit einer Coming-of-Age-Story. Während mehrere junge Frauen und dann auch ein männlicher Schulkollege verschwinden, spielt Bret mit seiner Freundin Debbie ein falsches Spiel. Den aufregenderen Sex hat er mit Kerlen, offen schwul traut er sich aber noch nicht zu leben.
Das Buch ist atmosphärisch extrem stark. Das überprivilegierte, emotional abgestumpfte Leben der Reichen hat Ellis schon früher grandios beschrieben. Hier ist seine Prosa nicht nur kühl, sondern inzwischen auch von der Melancholie des Rückblicks durchzogen. In den überlangen Sätzen würde man sich am liebsten baden. Dazu dröhnt der Soundtrack von 1981 ("This means nothing to me " aus "Vienna" von Ultravox dient als Leitmotiv).
Zu guter Letzt erzählt "The Shards" auch die Geschichte von Ellis' Schriftstellerwerdung. Der Serial-Killer-Plot gerät darüber zur Nebensache. Ein etwas strengeres Lektorat hätte nicht geschadet; dem Wahnsinn aus Sex, Lügen, Gewalt und Sprachrausch kann man sich aber auch so nicht entziehen.