Der Freund und der Fremde

176 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783462036091
Erscheinungsdatum 19.08.2005
Genre Belletristik/Romanhafte Biografien
Verlag Kiepenheuer & Witsch
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HerstellerangabenAnzeigen
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
Bahnhofsvorplatz 1 | DE-50667 Köln
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Kurzbeschreibung des Verlags



Die Geschichte einer frühen Freundschaft – Uwe Timm und Benno Ohnesorg


Er liegt am Boden, eine junge Frau kniet neben ihm und hält den Kopf des Sterbenden, ein schmaler, junger Mann, den Blick zur Seite gerichtet. Das Bild wird zur Ikone, es wird Hunderttausende auf die Straße treiben, aber wer ist dieser junge Mann, wer hätte er sein können?

Benno Ohnesorg, geboren 1940 und am 2. Juni 1967 auf der Anti-Schah-Demonstration in Berlin erschossen, war der Freund und Gefährte Uwe Timms, als beide Anfang der sechziger Jahre am Braunschweig-Kolleg das Abitur nachholten. Ein eigenwilliger, zurückhaltender, auf eine stille Art entschlossener junger Mann, der malt und die Werke der französischen Moderne liest, selbst Gedichte schreibt und zum ersten Leser Uwe Timms wird.

Mit ihm zusammen entdeckt Timm Apollinaire und Beckett, Camus und Ionesco, entdeckt auch, dass das Schreiben nicht nur ein einsamer Akt ist, dass man über Texte sprechen, sie verändern, sie verbessern kann, dass Nähe und radikaler Eigensinn gleichzeitig möglich sind.

Nach den Römischen Aufzeichnungen und Am Beispiel meines Bruders schreibt Uwe Timm in seinem dritten autobiographischen Buch wiederum ein Requiem, das mit poetischer Intensität nicht nur die Geschichte einer großen, gewaltsam beendeten Freundschaft, sondern auch die seiner ersten Lieben und des Aufbruchs eines Schriftstellers erzählt. Der Freund und der Fremde erzählt auch, wie eine Generation aus dem Existentialismus zur politischen Rebellion kommt und wie auf geheimnisvolle Weise jenseits der Generationserfahrung Freundschaften und Liebesbeziehungen ein Netz der Korrespondenzen schaffen, das man erst spät als sein eigenes Lebensmuster erkennt.


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FALTER-Rezension

Stephan Steiner in FALTER 42/2005 vom 19.10.2005 (S. 17)

Erinnerte Irrwege

Als Deutschland einmal rot wurde: Stephan Wackwitz und Uwe Timm arbeiten sich an der (eigenen) politischen Vergangenheit ab.

Revolten gewinnen mit den Jahrzehnten an Würde, aber erst in der Phase ihrer endgültigen Historisierung wird darüber entschieden, ob sie als bedeutende Wegmarken oder bloß als Episoden in die gesellschaftliche Erinnerung eingehen. Für die Studentenbewegung der Sechziger- und Siebzigerjahre ist es noch nicht so weit, sie befindet sich in einem Zwischenreich: noch gegenwärtig in vielen ihrer Protagonisten, aber schon geschichtlich in ihren Ansprüchen und Haltungen. War sie eine Komödie, war sie eine Tragödie? Und ereignet sie sich in der Literatur ein zweites Mal: als Farce?
Für Stephan Wackwitz, der seine Zeit im marxistischen Studentenbund Spartakus zum Ausgangspunkt seiner weitgespannten Reflexionen nimmt, muss man zweifelsohne mit "ja" antworten. Als müsse die Totalitarismustheorie erst erfunden werden, reflektiert der Autor über seine ideologischen Verstiegenheiten von einst und nimmt sich dabei über Gebühr wichtig. Der Text, der daraus entsteht, strebt kunstvolle Essayistik an und endet in überspannter Prosa. Wie Wackwitz mit seinen studentenbewegten Jahren abrechnet, kann nicht anders als altherrenhaft genannt werden, gipfelnd in dem ebenso kreuzbraven wie analytisch wertlosen Fazit: "Es ist damals nichts wirklich Schlimmes passiert. Helmut Schmidt und Gerhard Baum haben auf uns aufgepasst."
Dieser Report über Unordnung und frühes Leid wird in Beziehung gesetzt zur Geschichte des Elternhauses, die in dieser Form nur wegen eines, allerdings äußerst spannenden Aspekts mitteilenswert erscheint: die Wandlung Vater Wackwitz' vom Kindernazi zum Liberalen. In diesem Abschnitt bietet das Buch ungewöhnliche Innenansichten einer Metamorphose, die durch lange Kriegsgefangenschaft und das didaktische Geschick eines schwulen Lehrers ausgelöst wurden. Aber seinem Hang folgend, aus individueller Erfahrung allgemeine Formeln zu destillieren (wie damals, anno 68!), nutzt Wackwitz diese Passage gleich wieder, um das homosexuelle Milieu zum freundlichen Gegenpol eines verbiesterten Weltverbesserertums zu verklären. "Neue Menschen" ist gespickt mit Klassikerzitaten, Psychovokabular und Philosophemen, die der weltlichen Mystik eines Walter Benjamin nacheifern: ein Schelm, wer sich dabei in jene Tage zurückversetzt sieht, von denen sich Wackwitz so lautstark zu distanzieren vermeint.Uwe Timms "Der Freund und der Fremde" stellt geringere Ansprüche, verwirklicht jedoch ungleich mehr. Auf den ersten Blick erzählt Timm über seinen Jugendfreund Benno Ohnesorg, jenen Studenten der nach einer Anti-Schah-Demonstration 1967 erschossen wurde und so posthum zur Radikalisierung der Studentenbewegung beitrug. Die Reminiszenz an eine introvertierte, im Grunde unpolitische Märtyrerfigur wider Willen bliebe jedoch nicht mehr als eine zeitgeschichtliche Petitesse, verstünde es der Autor nicht, die mehr oder weniger private Erinnerung in eine Schilderung jener gesellschaftlichen Entwicklungen zu verwandeln, die die Bundesrepublik aus den Wirtschaftswunderjahren in den Ausnahmezustand katapultierten.
Den Kürschner Timm und den Schaufenstergestalter Ohnesorg führt der zweite Bildungsweg zusammen. Lesehunger, erste Schreibversuche und die existenzialistische Philosophie verbinden die beiden ansonsten recht verschiedenen Charaktere, den seine Bindungslosigkeit geradezu zelebrierenden Timm und den in sich gekehrten Ohnesorg. Das Studium trennt die Freunde, aber dennoch geraten sie unabhängig voneinander in den Sog der Studentenbewegung, eher mitgerissen als tatsächlich politisiert.
Skeptisch, aber nicht denunziatorisch schildert Timm seine damalige Revolutionseuphorie: Wenn es denn ein Irrweg war, dann ein aus der Vorgeschichte verständlicher, vielleicht sogar ein notwendiger. Dazu passt, dass der Autor, der sonst, wenn es um sein vergangenes Selbst geht, gerne zwischen erster und dritter Person changiert, gerade angesichts der Studentenrevolte in der Ichform verharrt, so als blieben ihm die Kapriolen von 1968 letztlich doch vertrauter als die Fünfzigerjahre.
Zu den berührendsten Passagen des Buches gehört der Besuch bei Ohnesorgs Sohn, der den in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangenen, für ihn selbst jedoch unbekannten Vater in einer Neurose aufzubewahren versucht: Nichts kann er wegwerfen, Relikte toter Familienangehöriger umgeben ihn, seine Wohnung ist ein Museum.
Uwe Timm weiß, wie man mit autobiografischem Schreiben umzugehen hat, nirgends setzt er sich unnötig in Szene, nirgends drängt er dem Leser seinen "Bildungsroman" auf. Ob man dieses Stück Literatur wie der Verlag nun "Eine Erzählung" nennen will oder ob nicht die Rubrik der literarischen Reportage genauso ehrenvoll gewesen wäre, bleibe dahingestellt. "Der Freund und der Fremde" ist jedenfalls ein zartes, melancholisches Buch, das auch vom Erlebnis des Schreibens handelt und es mehr als einmal versteht, in einem winzigen Absatz eine Welt zu öffnen: "Auch das begleitet mich jetzt in den letzten Tagen, nach sieben Monaten Schreiben, ein Druck auf der linken Brust, hin und wieder beim Durchatmen. Es sind nicht Schmerzen, kein Stechen, ein sanfter Druck, so ist das Herz spürbar geworden."

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