Waldstein oder Der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005

Roman
192 Seiten, Hardcover
€ 18.4
-
+
Lieferung in 7-14 Tagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783462036923
Erscheinungsdatum 22.02.2006
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Kiepenheuer & Witsch
LieferzeitLieferung in 7-14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags

Und dann war es schon wieder so, als hätte der Himmel die Erde ... still!Walter Gieseking muss sich bewegen. Es geht um eine Form der Lebensbejahung. Zu irgendwas, am besten etwas Großem, Übergeordneten, muss er doch mal Ja sagen. Bisher hat er immer prima Nein sagen können. Das geht jetzt plötzlich nicht mehr. Aus damit. Vorbei.

Walter Gieseking, dreißig Jahre, in Großstädten aufgewachsen, seit sechs oder sieben Jahren mit Ellen von Galgern zusammen, ist plötzlich wieder allein unterwegs und taumelt durch das halbe Jahr, das ihm vor der Ehe bleibt – auf die es mit seiner Ex-Freundin Ellen wohl doch hinauslaufen wird. Er verlässt den gemeinsamen Wochenendsitz Waldstein, ein Gutshaus in Oberfranken, und fädelt sich mühelos wieder ein in sein altes Leben in der müden Hauptstadt Berlin. Freundschaften werden erneuert oder laufen aus. Die Arbeit wird getan. Bankkonten laufen wie selbstverständlich leer. Das Problem ist nicht, dass das Leben so nicht funktioniert. Das Problem ist, dass es zu gut funktioniert. Alles geht einfach immer so weiter. Schleichender Niedergang. Gieseking bewegt sich, er fährt nach München, Ellens Heimatstadt, um Mädchenluft zu schnuppern. Am Ende kann Gieseking, seinem berühmten Namensvorbild folgend, plötzlich Klavier spielen (Beethovens Klaviersonate Opus 53) und er kehrt nach Waldstein, den Ort der Natur und der bürgerlichen Zweisamkeit, zurück.

Virtuos lässt Uslar Gieseking in einem fulminanten Monolog die großen Themen anschlagen – Natur, Großstadt, Liebe, Freundschaft, bürgerliche Ehe, Älterwerden, Gott im Himmel, Klassik versus Pop und natürlich: Frauen. Der Erzähler Gieseking haut mit einer Wucht in die Tasten, dass dem Leser die Ohren klingen, und nimmt sich sogleich wieder zurück. Es sind Variationen auf einen Lebensentwurf, aus denen ein Stück großer Literatur entsteht. Zart und kraftvoll, betörend und bedrängend – ein Buch mit Wumms.

 

Mehr Informationen
ISBN 9783462036923
Erscheinungsdatum 22.02.2006
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Kiepenheuer & Witsch
LieferzeitLieferung in 7-14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Stefan Ender in FALTER 12/2006 vom 24.03.2006 (S. 58)

Wellen wegen Ellen

Der ehemalige Popredakteur Moritz von Uslar versucht sich als Romancier - und sieht dabei gar nicht schlecht aus.

Da gibt es Ellen, die "abgründige, abgebrühte, unschuldige, raffinierte, hoch begabte, überdurchschnittliche, ganz und gar gewöhnliche Frau"; Ellen mit dem "Haarding, Halsding, Goldkettchen-verfängt-sich-in-den-feinen-Härchen-am-Hals-Ding. Das Rückending, Taillending, Hüftding, das zum Hintern raus und ins Beinding überging. Toll."

Da gibt es Galgern, Ellens Vater: "Blauweißes Streifenhemd. Aufgerollte Hemdsärmel. Dunkle Arme. Das goldgelb-lila-rotbraun Gesprenkelte seiner Haut. Der Galgern-Duft. Ah. Was für ein angenehmer Mann. Aber eben auch: die Aggression, das Gewaltsame, das aus all dem Gutaussehenden, Braungebrannten, Herrschaftlich-Kultivierten, Ins-Gleichgewicht-Gebrachten hervorging."

Da gibt es José, "eine Mischung aus, sagen wir, Hofkapellmeister, Visconti-Schauspieler und NPD-Mitglied, bloß, irgendwie, intelligenter". Aber mindestens genauso gefährlich: "Man konnte die Messerspitze zwischen den Zähnen sehen, die da nicht lag."

Und dann gibt es Walter Gieseking. Gieseking - namensgleich mit dem berühmten deutschen Pianisten (1895-1956) -, die Zentralfigur des Romans, freier Journalist mit Wohnsitz in Berlin, Nachtleben-, Klaviermusik-und Frauenfan. Gieseking ruht, klimpert und denkt auf Waldstein, dem Wochenendherrenhaus der Galgerns (namensgleich mit der berühmten Beethoven-Sonate), streitet mit und trennt sich von Ellen (Teil 1 des Romans). Gieseking geht nach Berlin, arbeitet, zieht mit José durch die Berliner Nacht, verzweifelt wegen Ellen, versucht, nicht zu verzweifeln wegen Ellen (Teil 2). Und Gieseking isst zu Abend mit Galgern (Teil 3).

"Waldstein oder der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005" ist der erste Roman von Moritz von Uslar, und so ziemlich einige werden ihn schlecht finden. Die Sprache: Kurzgehacktes, auf 200 Seiten. Die Themen: Nachtleben, Beziehungsleben, Berufsleben der Generation Golf/Pop/Möchte-nicht-erwachsen-Werden. Hatten wir das nicht schon durch?

Kurzer Rückblick. Uslar, Jahrgang 1970, war Mitte/Ende der Neunzigerjahre Redakteur beim Süddeutsche Zeitung Magazin - als dieses, wie überhaupt alles Printmediale, gerade eine kreative, potente, sonnige Zeit hatte. Der Eiserne Vorhang zwischen Literatur und Journalismus war komplett hochgefahren; das Feuilleton entdeckte die Liebe zum heutigen, statt zum ewigen Leben und rezensierte neben der 300.000. "Kirschgarten"-Inszenierung auch das Treiben im Restaurant nebenan. "Der Popjournalismus erkannte, dass die vermeintliche Hochkultur längst Subkultur ist - außer im Feuilleton", so Roger Willemsen rückblickend.

Es überrascht also kaum, dass es Uslar bei seinem Erstbesuch im Schreibolymp Literatur auch in den Untergrund der Clubszene zieht: Schnell lässt er seinen Protagonisten das Umfeld seiner Nachtfahrten - "das Kaleidoskop der Codes und Gesten, sich glücklich stellen, sich blöd stellen" - abchecken. Doch der Hit des Romans ist weniger dessen Handlung als dessen Sprache: Ruppig, direkt, unverblümt macht sie sich ran an das Objekt der Beschreibungsbegierde; mit Verve inszeniert Uslar einen Flash-Dance der Gedanken und Bilder.

Uslars Held will, bitteschön, alles, also: den Moment, die Ewigkeit, die Wahrheit - immer und sofort. Gleichzeitig liegt aber auch der Mehltau einer Holden-Caulfield'schen Schwermut auf der Anima seines Helden: wach, weich, offen, jungenhaft bleiben - für immer, wenn's geht. Für immer? Der Tod des Walter Gieseking zu Romanende wird verursacht durch den Beginn eines neuen Lebens: "Knicks. Haha. Ja."Der Hörverlag macht sich nun schon seit einiger Zeit um Thomas Bernhard verdient. Dabei wird großteils auf bestehende Radioaufnahmen zurückgegriffen. Begonnen wurde mit "Das Kalkwerk", zuletzt erschien "Beton". Der Roman handelt vom Musikschriftsteller Rudolf, der eine Studie über Felix Mendelssohn-Bartholdy zu schreiben beabsichtigt, dabei aber schon am ersten Satz scheitert. Wesentlicher Grund dafür ist, so Rudolfs idée fixe, dessen als "stumpfsinniges" Wesen beschriebene Schwester. Der Menschen-und schließlich auch Kunsthass Rudolfs wird von Peter Fritz (Regie: Hermann Beil) eine Spur zu manisch interpretiert. Der Wahnsinn, den Bernhard beschreibt, wirkt komischerweise überzeugender, wenn er als Normalität dargestellt wird.

Bernhard selbst macht dies grandios vor in der Einspielung der Kurzprosa "Ereignisse". Sie enthält auch die bisher nicht gedruckte Erzählung "Der Hutmacher", in der ein Hutmacher von seinem Sohn und dessen Frau gezwungen wird, vom Erdgeschoß in den ersten, vom ersten in den zweiten und von dort schließlich in den dritten Stock umzuziehen, wobei dem solcherart Gedemütigten letztlich nur der Kopfsprung aus seinem Mandsardenzimmer bleibt. Die "Ereignisse" sind Chronikerzählungen im Geiste des "Stimmenimitators". Bernhard liest alle diese Texte mit einer wunderbar sonoren Stimme und einem sachlich-nüchternen Understatement, kaum modulierend, die Sätze mäandernd aneinander schlingend und so seiner Prosa deutlichsten Ausdruck verleihend. Auch Thomas Holtzmann beherrscht diese Form der Interpretation, etwa in den Einspielungen von "Holzfällen", "Wittgensteins Neffe" und "Alte Meister", diesem glänzenden Museumsmonolog über drei skurrile Figuren, deren Namen für immer im Gedächtnis haften bleiben, hat man sie einmal gehört: Irrsiegler, Reger, Atzbacher.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

weiterlesen