Sinkende Sterne

Roman
224 Seiten, Hardcover
€ 25.7
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783462050806
Erscheinungsdatum 07.09.2023
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Kiepenheuer & Witsch
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags



Ein einsames Haus in den Bergen und eine Naturkatastrophe, nach der ein Schweizer Kanton sich plötzlich lossagt von unserer Gegenwart: »Sinkende Sterne« ist ein virtuoser, schwebend-abgründiger Roman, in dem eine scheinbare Idylle zur Bedrohung wird und der uns tief hineinführt in die Welt der Literatur selbst. 


Thomas Hettche erzählt, wie er nach dem Tod seiner Eltern in die Schweiz reist, um das Ferienhaus zu verkaufen, in dem er seine Kindheit verbracht hat. Doch was realistisch beginnt, wird schnell zu einer fantastischen, märchenhaften Geschichte, in der nichts ist, was es zu sein scheint. Ein Bergsturz  hat das Rhonetal in einen riesigen See verwandelt und das Wallis zurück in eine mittelalterliche, bedrohliche Welt. Sindbad und Odysseus haben ihren Auftritt, Sagen vom Zug der Toten Seelen über die Gipfel, eine unheimliche Bischöfin und Fragen nach Gender und Sexus, Sommertage auf der Alp und eine Jugendliebe des Erzählers. Grandios schildert Hettche die alpine Natur und vergessene Lebensformen ihrer Bewohner, denen in unserer von Identitätsfragen und Umweltzerstörung verunsicherten Gegenwart neue Bedeutung zukommt. Im Kern aber kreist die musikalische Prosa dieses großen Erzählers um die Fragen, welcher Trost im Erzählen liegt und was es in den Umbrüchen unserer Zeit zu verteidigen gilt.


Mehr Informationen
ISBN 9783462050806
Erscheinungsdatum 07.09.2023
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Kiepenheuer & Witsch
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Was ist bloß mit den Schweizern los?

Tobias Heyl in FALTER 42/2023 vom 20.10.2023 (S. 22)

Er solle sich bei ihm im Rathaus einfinden, schreibt Jesko Zen Ruffinen, Kastlan von Leuk und Bannerherr der Sieben Zenden, an Thomas Hettche. Der macht sich pflichtschuldig auf den Weg von Deutschland ins Wallis, wo seine Eltern ein Chalet besessen hatten, das seit dem Tod des Vaters leer steht. Die Reise, in Kindertagen ein Höhepunkt des Jahres, nimmt schon ein ganzes Stück vor dem Ziel eine verstörende Wendung: Ob er nicht wisse, fragen ihn schwer bewaffnete Soldaten, dass die Einreise ins Wallis reglementiert sei? Erst als er den Brief des Kastlans vorweisen kann, lassen sie ihn weiterfahren.

Das Wallis, in dem Thomas Hettche seinen jüngsten Roman ansiedelt, ist von einem gigantischen Bergsturz heimgesucht worden, der die Rhone aufgestaut hat. Die Hälfte des Tals ruht nun am Grund eines gigantischen Sees. Leuk, etwas höher gelegen, ist von dieser Katastrophe verschont geblieben.

Wer konnte, hat auch die Bergdörfer verlassen. Das Haus der Eltern Hettche hatte sich schon lange vorher in ein Geisterhaus verwandelt, in dem ein Wählscheibentelefon und ein altes UKW-Radio vor sich hindösen. Der Sohn richtet sich notdürftig darin ein, der Dorfladen immerhin hat noch geöffnet, inzwischen führt ihn seine sommerliche Jugendliebe, die mit ihrer Tochter hier oben ausharrt. Doch sind die überhaupt von dieser Welt? Eher erscheinen sie wie die Gespinste erotischer Fantasien.

Und wie steht es in Leuk? Jener Thomas Hettche, von dem man mittlerweile ahnt, dass er nicht mit dem Autor gleichen Namens identisch sein kann, wird also beim Kastlan vorstellig. Der eröffnet ihm, dass das elterliche Chalet enteignet sei und ihm nur noch wenig Zeit bleibe, das Wallis zu verlassen, wo man sich ganz offensichtlich von allen Vorstellungen verabschiedet hat, die man mit Schweizer Immobilienbesitz verbindet.

Tatsächlich ist von eidgenössischem Geist nichts mehr zu spüren, lokaler Adel und Klerus rivalisieren um die Macht. Ratlos wendet sich Hettche an den ehemaligen Notar seines Vaters, der beste Beziehungen zur Bischöfin von Sion unterhält, einer schwarzen Transfrau. Die könne ihm helfen, die Enteignung zu verhindern. Eine Bischöfin, gewaschen mit allen Wassern der Gendertheorie, im katholischen Wallis? Als sinkende Sterne hat Isabelle Huppert in einem Interview die Männer bezeichnet – und genau so nennt Hettche seinen Roman.

Der Bergsturz hat nicht nur die Landkarte des Wallis verändert, er hat die Welt überhaupt aus den Angeln gehoben. Nicht nur die Topografie hat sich vollkommen verändert, auch die Zeit ist in Bewegung geraten, hat Geschichten und Weltbilder nach oben gespült, die seit der Aufklärung ins Vergessen herabgesunken waren.

Die Talbewohner, einst durch Handel wohlhabend geworden, schotten sich ab, arme Seelen ziehen durch die Dörfer, Trümmer einer archaischen Welt ragen in die Gegenwart. Mit den Geröllmassen, die zu Tal stürzten, hat die Natur der zivilisatorischen Herrschaft des Menschen ein Ende gesetzt: Diese Vermutung drängt sich immer wieder auf, auch wenn sich nirgends ein Hinweis darauf findet, dass die Katastrophe vom Menschen verursacht wurde. Hettche, der Erzähler, fügt sich fatalistisch in diese surreale Welt. Auch als die Frist des Kastlans verstrichen ist, denkt er nicht an eine Rückkehr.

Vielmehr findet er in der Verlassenheit des Chalets mehr und mehr zu sich selbst, denkt seinen Romanen hinterher, von denen dann doch wieder reale Pendants des Autors Hettche bekannt sind. Mit der Fähre lässt er sich nach Raron übersetzen, wo Rilke zuletzt mit seiner Geliebten Elizabeth Dorothea Spiro und deren Sohn Balthasar lebte, der sich als Maler Balthus nennen sollte. Er erinnert sich an Lektüren der Odysee und der Geschichte von Sindbad dem Seefahrer, auch an den Anfang von Godards „Verachtung“, ganz unterschiedliche Szenen am Wasser, Urszenen des Entdeckertums und der Erotik, aus denen sich eine Poetologie herausdestilliert, die das Recht des Erzählens allein aus dessen Kraft ableitet, Raum und Zeit zu einer Einheit zu verbinden.

In solch essayistischen, theoretisch oft recht elaborierten Passagen verteidigt Hettche eine Vorstellung von Literatur und Kunst überhaupt, die sich frei weiß von allen außerästhetischen Ansprüchen. Sein Widerwillen richtet sich gegen jede moralische oder politische Inanspruchnahme der Kunst, die, so verstanden, autonom und selbstbezüglich in der Welt steht wie die Berge des Wallis. Dort harrt der Erzähler, von allen Menschen verlassen, in seinem Chalet aus, das langsam im Schnee versinkt. Was für ein Bild!

weiterlesen