

Gerhard Stöger in FALTER 40/2021 vom 06.10.2021 (S. 40)
Sie wisse immer noch nicht genau, wer die Hauptfigur dieser Geschichte sei, schreibt Helene Hegemann, 29, nach zwei Drittel dieses Essays, der eigentlich eine Hommage an die Musikerin und Poetin Patti Smith, 74, sein soll. Was nach einem Problem klingt, ist tatsächlich ein Glücksfall. Denn die deutsche Autorin verwebt Details aus der Biografie der Künstlerin mit dem eigenen Leben, mit Erinnerungen an Christoph Schlingensief und den Moment, als sie Patti Smith mit 13 unvermittelt in Wien gegenübersaß – und die fremde Frau im löchrigen Mantel für eine Obdachlose hielt.
Kurz davor war Hegemanns schizophrene Mutter, eine arbeitslose Alleinerzieherin, gestorben, und Theaterchecker Carl Hegemann – der Vater, den sie kaum kannte – hatte sie aus der Ruhrpott-Tristesse in seine Künstlerwelt katapultiert. Was das zu bedeuten und mit der Sängerin zu tun hat, ist hier bei aller analytischen Schärfe tief berührend aufgeschrieben.