

Referenz, Repräsentation, Verstehen, Konvention
Sebastian Kiefer in FALTER 41/2015 vom 07.10.2015 (S. 39)
Philosophie: Das von Nikola Kompa herausgegebene „Handbuch Sprachphilosophie“ setzt neue Maßstäbe
Heutige Universitätsphilosophen interessiert nicht die Vielfalt unseres Sprachverhaltens, sondern zuallererst, ob man durch Betrachtung einfacher Aussagesätze beantworten kann, was Philosophen sich seit vielen tausend Jahren vergeblich fragen: ob, wie und weshalb unser Denken und Reden die Welt, wie sie ist, darstellen oder verstehen können.
Man befragt und benutzt dazu noch dieselben Begriffe, die die modernen Klassiker der Sprachphilosophie von Gottlob Frege über Ludwig Wittgenstein bis Willard Van Orman Quine ins Zentrum rückten: Referenz, Repräsentation, Verstehen, Konvention, Meinen, Bedeutung.
Sehr viel näher ist man möglichen Antworten nicht gekommen – wer derlei sucht, wird von der Philosophie enttäuscht werden. Umso notwendiger wird die Philosophie für jedermann, wenn man sie als Disziplin der Klärung unserer Grundbegriffe und Erkenntnisstrategien versteht.
Nikola Kompas „Handbuch Sprachphilosophie“ bietet dem vorinformierten Leser denkbar gute Dienste dabei: Die uferlosen, sophistischen Debatten darüber, was es heißt, zu verstehen, wahr zu sein, etwas zu meinen, oder darüber, inwieweit die Bedeutung geäußerter Sätze kontextrelativ sei – hier kann man sie jeweils vorbildlich transparent auf wenige Seiten eingedampft nachlesen.
Als wollte man dem Leser demonstrieren, man sei sich bewusst, wie viel die analytische Sprachphilosophie ausgrenzt, wurde das erste Buchviertel der Geschichte der Sprachphilosophie und den nichtanalytischen Traditionen vorbehalten. Konzentriertere Überblickstexte über Aristoteles’ frappierend aktuelles Sprachdenken oder Husserls dunkle Versuche, verbalen Sinn von den intentionalen Erlebnissen her zu bestimmen, dürften sich kaum irgendwo finden.
Die Abschnitte über jene Wissenschaftsdisziplinen, die Empirie und Struktur der Sprache als Ganzes und ihre Funktion im Denken und in der Evolution erforschen – also über Anthropologie, Kognitionswissenschaften, Linguistik u.a. –, fallen nicht ab.
Nikola Kompa ist Professorin für Philosophie an der Universität Osnabrück mit Schwerpunkt Erkenntnistheorie, Logik und Sprachphilosophie. Zuletzt erschien ihr „Grundkurs Erkenntnistheorie“ (zusammen mit Sebastian Schmoranzer, 2014).
Ihr „Handbuch Sprachphilosophie“ ist nicht nur ein Musterfall von Forschungsvermittlung, sondern mit seiner sorgfältigen Anordnung und Darstellungsökonomie auch ein starkes Argument für das Medium Buch. Sprich dafür, sich in ein Thema von Experten einführen zu lassen, statt sich im Netz zu verlieren.