

Über die Wissenschaft von der Ungewissheit
André Behr in FALTER 7/2022 vom 18.02.2022 (S. 26)
Das Thema "Viren" war schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie immer wieder einmal "virulent", als gefährliche Krankheitserreger sorgen sie seit jeher für Aufregung. In den 1990er-Jahren hatte die deutsche Molekularbiologin Karin Mölling sie sogar als mögliche Urformen bei der Entstehung des Lebens in die Diskussion gebracht. Nun sah sich auch der britische Mathematiker und Sachbuchautor Ian Stewart gezwungen, sein neuestes Werk kurzfristig anzupassen. 2019 auf Englisch erschienen, trug es den Titel "Spielen Würfel Gott?", in der deutschen Übersetzung heißt es "Wetter, Viren und Wahrscheinlichkeit" und hat ein separates Vorwort, in dem der 78-jährige Professor der University of Warwick detailliert die Modellierung von Epidemien diskutiert.
Das Buch selbst nimmt sich allerdings der fundamentalen Problematik der sogenannten "Berechenbarkeit" der Welt an, sei es bei Wettervorhersagen, Börsengeschäften, Klimaphänomenen oder eben Pandemieverläufen. Stewart ist ein leidenschaftlicher und sehr versierter Schreiber, der es bestens versteht, einem interessierten Laien auch äußerst komplexe Zusammenhänge zu vermitteln. Sein aktuelles Anliegen bringt er uns näher, indem er ausführlich die Hintergründe von "Ungewissheit" analysiert. Denn Naturereignisse wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche, deren Eintreffen man früher dem Wirken von Gottheiten zugeschrieben hat, können jetzt dank mathematischer Methoden prognostiziert werden.
Sehr erhellend ist Stewarts ausführliche Darlegung, wie es unseren Gehirnen heutzutage konkret gelingt, Zukunft vorauszusagen. Er beschreibt sechs Zeitalter der Ungewissheit, die nachhaltige Auswirkungen auf die Umstände des Menschseins hatten. Mittlerweile, so der Autor, sei uns wenigstens klar geworden, dass in unserer Welt alles mit allem zusammenhängt. Die Zukunft sei ungewiss, aber die Wissenschaft von der Ungewissheit die Wissenschaft der Zukunft.