

„Jeder kauft mein Buch, aber nicht viele lesen es“
André Behr in FALTER 43/2020 vom 21.10.2020 (S. 43)
Wissen an Laien zu vermitteln ist eine Domäne angloamerikanischer Gelehrter. Der Ende 1954 in Chicago geborene und in Berkeley promovierte Physiker Leonard Mlodinow profilierte sich darin mehrfach. Als Sohn von in die USA emigrierten polnischen Kriegsflüchtlingen begann er nach Jahren der Forschung über Quantenmechanik am California Institute of Technology und in Garching bei München ab 1986 zu schreiben und war auch auf diesem Gebiet rasch erfolgreich.
Zuerst verfasste er Drehbücher, u.a. für die TV-Serien „Star Trek: The Next Generation“ und „MacGyver“, dann populärwissenschaftliche Bücher. 2001 erschien „Euclids Window“ (dt. „Das Fenster zum Universum“, 2002), ein internationaler Bestseller, zwei Jahre später „Feynman’s Rainbow“ (dt. 2005), ein vielgelobtes Werk über den Physiker Richard Feynman. Dem 1988 verstorbenen Verfasser der legendären dreibändigen „Lectures on Physics“ und Nobelpreisträger war Mlodinow am Caltech in dessen letzten zwei Lebensjahren nahegestanden.
Kurz nach Erscheinen dieses zweiten Buchs 2003 bekam Mlodinow einen Anruf aus Cambridge von seinem Physikerkollegen Stephen Hawking, dem er zuvor schon auf Fachkonferenzen begegnet war. Hawking schwärmte von Mlodinows Schreibkunst und wollte ihn als Co-Autor gewinnen. Weltberühmt, aber durch seine Erkrankung an amyotropher Lateralsklerose (ALS) schwerstbehindert, suchte der Brite Hilfe bei der Umsetzung seines neuesten Plans.
Hawking hatte eine verständlichere Version seines Welterfolgs „Eine kurze Geschichte der Zeit“ im Sinn. „Jeder kauft das Buch“, klagte er, „aber nicht viele lesen es.“ Mlodinow nahm das Angebot an. Man besuchte sich, es entstand eine freundschaftliche Nähe, und nach der Veröffentlichung dieser „A Briefer History of Time“ genannten Neufassung 2005 entstand die Idee für ein größeres Projekt. Daraus wurde „The Grand Design“ (dt. „Der große Entwurf“), das 2010 auf den Markt kam.
2018 starb Hawking. Seitdem ist über seinen einzigartigen Lebensweg und -willen manches geschrieben worden, auch von Personen aus seinem familiären Umfeld. Mlodinow schildert die Anliegen und Denkprozesse des Kosmologen aus Sicht eines fachlich auf Augenhöhe mitdiskutierenden Freundes. Und weil der Amerikaner dabei kollegial bleibt, ohne etwas schönzureden, wird man als Leser in die Lage versetzt, sich über diesen faszinierenden Menschen und sein Vermächtnis selbst eine Meinung zu bilden.