

Death-Metal-Roman: Freundschaft, Sex, Verlust und Lärm
Sebastian Fasthuber in FALTER 24/2024 vom 14.06.2024 (S. 30)
Superstar Jonathan Franzen hat seinen Kollegen John Wray (Jg. 1971) einmal als große Hoffnung der US-Literatur bezeichnet. Dafür spricht auch, dass dieser das renommierte Guggenheim-Stipendium erhalten hat.
Franzen ist zwar noch der Berühmtere, aber literarisch hat Wray die in ihn gesetzten Hoffnungen eingelöst. "Gotteskind" (2019) etwa war ein faszinierender Roman über ein kalifornisches Mädchen und den Dschihad. Auch an Alleinstellungsmerkmalen mangelt es ihm nicht: Der Autor, dessen Mutter aus Kärnten stammt, pendelt zwischen Brooklyn und Friesach. Mit "Unter Wölfen" legt er den wahrscheinlich ersten Death-Metal-Roman ever vor.
Furios ist, wie anschaulich und mitreißend er über Musik schreibt. Liebhaber finsteren Krawalls werden gewiss ihre Freude daran haben. Aber nicht nur sie: Der Roman feiert allgemein die Kraft der Musik. Für die Hauptfiguren sind ihre ersten Metal-Konzerte Erweckungserlebnisse, die sie völlig durchdringen. Auch die Intensität der Erfahrung, eine Platte zum ersten Mal zu hören, schildert Wray fantastisch.
Doch er ist kein Chronist des Metal, sondern primär Literat. In drei großen Abschnitten erzählt er hier von einem Trio infernal, das durch sein Außenseitertum und die Liebe zu extremer Musik zusammengeschweißt wird. Kip Norvald wirkt nur unauffällig, er kann völlig austicken, wenn ihn etwas triggert. Kira Carson lebt im Trailer ihres Vaters, traumatisiert von Gewalterfahrungen. Leslie Vogler ist eine flamboyante Gestalt - ein schwarzer, bisexueller Metal-Fan mit jüdischen Adoptiveltern.
"Unter Wölfen" führt als Entwicklungsroman mit Themen wie Freundschaft, Sex und Verlust um 1990 vom beschaulichen Venice Beach nach L.A. und bis nach Norwegen - der Brutstätte des Black Metal. John Wray entlockt dem Krach Poesie, er schreibt grandiose Dialoge und beherrscht dazu auch noch den großen Spannungsbogen. Ein Fest von einem Roman.