

Der Roman zum Stück vom verlorenen Vater
Wolfgang Kralicek in FALTER 51-52/2023 vom 20.12.2023 (S. 44)
Was haben eine Flugzeugkatastrophe in Asien und die Demenzerkrankung eines evangelischen Pfarrers aus Frankfurt gemeinsam? Die Theatermacherin Helgard Haug, Teil des Berliner Performance-Kollektivs Rimini Protokoll, brachte in ihrem Stück "All right. Good night."(2021) Dinge zusammen, die auf den ersten Blick nicht zusammengehören: den Gedächtnisverlust ihres Vaters und eine am 8. März 2014 spurlos vom Radar verschwundene Boeing der Malaysia Airlines. Tatsächlich haben die Ereignisse sehr wohl miteinander zu tun: Beide handeln vom Verschwinden, und beide werfen Fragen auf, zu denen es keine befriedigenden Antworten gibt.
Dass jetzt ein Roman zum Stück vorliegt, ist weniger ungewöhnlich, als es scheint. In dem auf seine Art einzigartigen Theaterprojekt (das im März 2022 auch im Wiener Volkstheater gezeigt wurde) gab es nämlich keine Schauspieler und keine Dialoge: Die Aufführung war mehr Lesetheater als Schauspiel; der Text wurde, Satz für Satz, auf die Bühne projiziert.
Was Haug jetzt als ihr Prosadebüt herausgebracht hat, ist dieser Text, in einer etwas längeren Fassung. Auch als Roman funktioniert "All right. Good night." - der Titel zitiert den letzten Funkspruch des Piloten - sehr gut. Der Kunstgriff, das global diskutierte, bis heute nicht restlos geklärte Flugzeugunglück und das private Drama ihres Vaters parallel zu schalten, wirkt überraschend plausibel. Zumal die Autorin auf Querverweise weitgehend verzichtet und es dem Leser überlässt, die Handlungsstränge zu verknüpfen.
Dass das Projekt im Kern eine Hommage an den Vater ist, wird im intimeren Medium Buch deutlicher als auf der Bühne. Haugs glasklare Sprache, ihre einfach gebauten, präzisen Sätze kommen hier noch besser zur Geltung. Als die Familie Papas 80. Geburtstag feiert, notiert die Tochter: "Manchmal nickt der Vater, manchmal erhellt sich sein Gesicht. Ein Blitzlichtgewitter in diese dunkle Höhle hinein."