Dieter E. Zimmer, Übersetzer und Herausgeber der Nabokov-Gesamtausgabe, widmet sich seinem Forschungsobjekt mit kriminologischem Eifer. Etwa wenn er auf den Spuren von Lolita und ihrem Peiniger mit dem Auto durch die Vereinigten Staaten fährt, um herauszufinden, welche der Orte ihrer Reise erfunden sind und welche tatsächlich existieren. Den populärkulturellen "Lolita"-Klischees vom geilen Gör wird auch dieses kluge, engagierte und informative, bisweilen sehr ins Detail gehende Buch nichts anhaben können. Aber sei's drum, schließlich hat die Erwartungshaltung der Käufer dem bis dahin unbekannten Autor ein sorgenfreies Schriftstellerleben ermöglicht.
Ausführlich befasst sich Zimmer mit der Publikationsgeschichte eines Skandals, den es nur Ende der 50er-Jahre so hat geben können – vorher wäre das Buch nicht publiziert worden, ein paar Jahre später kein Aufreger mehr gewesen. Von der Literaturkritik wurde "Lolita" damals gespalten aufgenommen, aber, so meint Zimmer, Büchern, die sofort einhellig gefeiert werden, sei ohnehin meist kein langes Leben beschieden. Sein eigenes Buch jedenfalls gibt Anlass, den "amerikanischsten, realistischsten und welthaltigsten" Roman des berühmten Russen mit geschärftem Blick wiederzulesen.