

Faschiertes aus Kamelscheiße und Herrschaft durch Unterhaltung
Thomas Edlinger in FALTER 22/2011 vom 03.06.2011 (S. 30)
Zwar fallen in "Blödmaschinen" einschlägige Namen vom "Henkersknecht" Dieter Bohlen bis zur Ikone des cleveren Blödseins Verona Feldbusch; zwar werden die erwartbaren Trainingslager der Verblödung von der Bild-Zeitung bis zur Castingshow in ihrem Wirken luzide seziert. Doch diesem wahrhaft gewichtigen Werk geht es vorrangig nicht um Fallbeispiele verrohter und verrohender Verdummung, sondern um eine Gesellschaft, die ihre Verblödung exzessiv vorantreibt und diese dabei auch noch genießt.
Wir alle, betonen Markus Metz und Georg Seeßlen, leben ja nicht jenseits der Welt, in der "jeder Trottel weise sein kann", sondern wir sind in einer Welt, "in der jeder Weise zum Trottel werden kann". Der in sich durchaus wieder hochintelligente Mechanismus, der den Rohstoff der Wahrnehmungen zu Produkten verwandelt, wird hier als Erscheinungsweise der Blödmaschinen bezeichnet.
Die heutigen Blödmaschinen unterdrücken unsere Bedürfnisse nicht im herkömmlichen Sinn, sondern koppeln sich im Gegenteil an unsere Interessen und Wünsche an; sie herrschen durch Unterhaltung. Das macht sie so faszinierend und das sorgt auch dafür, dass man sie nicht "abschalten" kann. Zwar erhalten diese Kontroll- und Dressurmaschinen freier Intelligenz mit der Verwertungsidee Kapitalismus eine neue Qualität des Wachstums. Sie existieren aber als Modus einer Komplexitätsreduktionstechnik immer schon.
Früher waren es Manufakturen, die sich hinter gesellschaftlichen Institutionen wie Kirche, Universität oder Familie verbargen und als Nebenprodukt auch ab und zu Weisheit und Dissidenz erzeugten. Heute sind es industrialisierte und zusehends miteinander vernetzte Metamaschinen wie Medien, Mode oder Pop, die auch Subversion und Ironie als Produktinnovation à la "Die Simpsons" frei Haus liefern.
Für Metz/Seeßlen gibt es kein kluges Leben im blöden. Das beweist schon ihr Rekurs auf das kluge Sich-blöd-Stellen und das dumme Sich-klug-Stellen der Schildbürger im Lalebuch aus dem 16. Jahrhundert. Die hier erzählte Verblödungsgeschichte der modernen Nachfahren der Lalebürger führt von den US-amerikanischen Boulevardmedien des 19. Jahrhunderts über die infantilisierte Dumpfheit des Fastfood, die uns auch noch Faschiertes aus Kamelscheiße mit Geschmacksverstärkern einreden könnte, bis zur Mär der Schwarmintelligenz und der Posting-Idiotie.
Zugleich ist diese Geschichte aber auch eine Geschichte der Selbstermächtigung der Deklassierten, die es linken Intellektuellen ohne Elitendünkel verunmöglicht, das Begehren nach Verblödung moralisch zu verdammen. Es gibt eben, wie Merz/Seeßlen schreiben, "keine Demokratie ohne Unterhaltung" – weswegen deren Umbau zur Postdemokratie, die Interessen nicht mehr gegeneinander abwägt, sondern voreinander verbirgt, so nahtlos voranschreitet und die "kommende Revolte" genügend Handlungsbedarf hat.