Simulative Demokratie

Neue Politik nach der postdemokratischen Wende
304 Seiten, Taschenbuch
€ 23.7
-
+
Lieferbar in 14 Tagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
Reihe edition suhrkamp
ISBN 9783518126349
Erscheinungsdatum 15.04.2013
Genre Politikwissenschaft/Politische Theorien, Ideengeschichte
Verlag Suhrkamp
LieferzeitLieferbar in 14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags

Sind Proteste wie die der sogenannten »Wutbürger« oder internationale Bewegungen wie Occupy Wall Street ein weiterer Beleg für die Krise der Demokratie? Oder doch eher für ihre Lebendigkeit? Ist »Krise« überhaupt das richtige Wort? Immerhin bezeichnet der Begriff einen vorübergehenden Zustand, aber über Politikverdrossenheit oder gar »Postdemokratie« wird nun schon seit Jahren diskutiert. Ingolfur Blühdorn schlägt eine andere Lesart vor: Wir erleben, so seine These, einen schleichenden Formwandel des Politischen, den Übergang zur »simulativen Demokratie«, in der demokratische Werte, demokratische Verfahren, ja sogar die Idee des demokratischen Souveräns selbst sich gewissermaßen überlebt haben, gleichzeitig aber mehr öffentliche Zustimmung finden denn je - und deshalb als »Simulation« sorgfältig kultiviert werden.

Mehr Informationen
Reihe edition suhrkamp
ISBN 9783518126349
Erscheinungsdatum 15.04.2013
Genre Politikwissenschaft/Politische Theorien, Ideengeschichte
Verlag Suhrkamp
LieferzeitLieferbar in 14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Von wegen Wutbürger, wir sind Simulationsbürger!

Isolde Charim in FALTER 40/2014 vom 03.10.2014 (S. 19)

Der deutsche Politologe Ingolfur Blühdorn schlägt eine freudigere Lesart des Phänomens Postdemokratie vor

Was macht ein gutes Theoriebuch aus? Dreierlei. Der Autor muss ein guter Leser sein. Das heißt, er muss Gelesenes pointiert kritisieren können. Der Autor muss ein guter Schreiber sein, denn Einfachheit und Klarheit stehen am Ende der Gedankenarbeit und nicht an deren Anfang. Und er muss etwas zu sagen haben, er muss einen eigenen Standpunkt haben. (Frauen mögen sich mitgemeint fühlen.)
In diesem Sinne ist das Buch "Simulative Demokratie" von Ingolfur Blühdorn ein gutes, ein sehr gutes Buch.
Ausgangspunkt ist die weitverbreitete Rede von der Krise oder gar vom Ende der Demokratie, eine Rede, die im Begriff der "Postdemokratie" gipfelt. Genau da erweist sich Blühdorn als brillanter Leser – etwa wenn er Jacques Rancières komplexes oder Colin Crouchs einfacheres Konzept von Postdemokratie zerpflückt.
Postdemokratie sei keine Verfallsform der Demokratie und deshalb tauge sie auch nicht zur verkappten Hoffnungserzählung, die letztlich der Mobilisierung, der Wiederbelebung des demokratischen Projekts dienen soll. Diesem "schwachen" stellt er einen "starken Begriff von Postdemokratie" entgegen, der nichts weniger als eine Theorie gegenwärtiger politischer Verhältnisse ist.
Kern der demokratischen Idee, so Blühdorn, war das Subjekt. Demokratie war die politische Form des autonomen, des vernünftigen, des bürgerlichen Subjekts. Diese zentrale Referenz der Demokratie hat sich massiv verändert. Diese Veränderung sei nicht Folge der Globalisierung oder des Neoliberalismus, wie man meinen würde.
Nein, so die unerwartete These des Buches, sie ist vielmehr Folge jener gelungenen Modernisierung, die vor allem von den "Neuen Sozialen Bewegungen" (wor­un­ter Blühdorn vor allem die Umweltbewegung versteht) vorangetrieben wurde. Diese hätten das alte bürgerliche Subjekt erfolgreich revitalisiert.
So erfolgreich, dass heutige Subjekte ganz anders aussehen: flexibel, dynamisch, fluid. Die ihnen angemessene ­politische Form sei eben die Postdemokratie – die nicht das Ende, sondern vielmehr eine veränderte Form von Demokratie meint.
Solch ein Formwandel bedeutet aber, dass alle Begriffe des offenen Projekts Demokratie umgeschrieben werden. Blühdorns Buch skizziert all dieser Veränderungen.

Befreit von Verantwortungen
Mit dem neuen Subjekttypus verändert sich etwa die Vorstellung von dem, was Emanzipation bedeutet. War Emanzipation in den 1970er- und 1980er-Jahren die Befreiung von Autoritäten und die Erneuerung des autonomen, ethischen Subjekts, so meint postdemokratische Emanzipation die "partielle Befreiung von vorher erstrittenen Verantwortungen".
Emanzipation sei heute, so Blühdorn, eine "Befreiung von kategorischen Gemeinwohlverpflichtungen". Parteipolitisch entspricht das in etwa dem Unterschied zwischen "Grünen", den Erben der alten Emanzipation, und "Piraten".
Wobei Postdemokratie nicht einfach Entsolidarisierung bedeutet, sondern vielmehr die paradoxe Situation, dass diese Emanzipation zweiter Ordnung – also die Befreiung vom demokratischen Projekt der Sozialen Bewegungen – mit stark gestiegenen demokratischen Ansprüchen des Einzelnen einhergeht. So Blühdorns Dialektik.
Moderne Bürger, die ihr politisches Engagement am liebsten an professionelle politische Dienstleister wie NGOs outsourcen, verlangen gleichzeitig immer selbstbewusster nach Partizipation. Mit anderen Worten: Die Freiheitsansprüche der Einzelnen steigen massiv im selben Zug, wie die Gleichheitstendenzen zurückgebaut werden. Eine widersprüchliche Situation, die nur durch das lebbar wird, was Blühdorn "simulative Demokratie" nennt.

Mit ruhigem Gewissen
Das ist das eigentliche Kernstück der Postdemokratie: die Vorstellung, demokratische Verfahren würden heute Demokratie nur simulieren, also vorspielen, inszenieren. Statt wirklicher Selbstbestimmung gebe es nur "Erlebnisräume", in denen sich die Bürger als autonome, souveräne Subjekte erfahren.
Im Unterschied zu früheren Kritikern an demokratischen Illusionen sieht Blühdorn darin allerdings keinen Priesterbetrug. Es ist dies keine manipulative Inszenierung von Eliten, sondern vielmehr eine "kollektive Selbstillusionierung", ein gesamtgesellschaftliches Projekt gewissermaßen, das von Politikern ebenso getragen wird wie von Demonstranten.
Eine solche Inszenierung von Demokratie stütze den Glauben an diese, ohne den Subjekten tatsächliche Beteiligung abzuverlangen. Kritik an diesen Zuständen werde selbst Teil des Programms.
So produktiv der Begriff der simulativen Demokratie auch ist – die Gegenüberstellung von echten demokratischen Verfahren und inszeniertem demokratischem Mythos übergeht elegant, dass Ersteres immer schon Letzteres inkludiert hat. Demokratie war immer schon Schauspiel der Teilhabe und nie reine faktische Mitbestimmung. Tatsächlich wird mit der Vorstellung einer Simulation die Möglichkeit von politischem Handeln überhaupt infrage gestellt – oder neu definiert. So sei auch Partizipation heute nur die Gelegenheit, sich selbst als autonomes Subjekt zu erfahren und darzustellen – oder Repräsentation nur die Simulation, dass es noch idente Subjekte gibt.
Insgesamt wäre Postdemokratie demnach nur eine politische Form für Bobos – zur Befriedigung ihrer Ansprüche und zur Beruhigung ihres Gewissens bei gleichzeitigem faktischem Umbau der Gesellschaft in Richtung Ungleichheit, Ausschluss und Nicht-Nachhaltigkeit. So kulminiert das Buch in dem Begriff der Demokratie als "reaktionäre Demokratie". Ein in vielfacher Hinsicht schwieriger Schluss.

weiterlesen