

Empörung ohne Folgen
Robert Misik in FALTER 51-52/2023 vom 22.12.2023 (S. 27)
Erst gab es die "Massenpolitik", also die Dominanz von mitgliederstarken Parteien, dann die "Anti-Politik" (die Abwendung von diesen Parteien), später die "Post-Politik" (also die ideologische Leere) und nun die "Hyperpolitik". In dieser Phase stecken wir fest, so der 29-jährige belgische Historiker Anton Jäger. Während man früher eine Entpolitisierung konstatierte, ist heute das Gegenteil der Fall: Dem Gedränge in der Mitte folgte die Polarisierung. Welche Sportarten man ansieht, ist heute schon politisch, oder welche Meinung man zu einer Krankheit hat. Zugleich sind die Menschen "einsamer, aufgeregter, wütender, aber auch verwirrter". Es gibt Politisierung, aber es folgt nichts daraus. "Menschen echauffieren sich heute über ein Thema und morgen über ein ganz anderes." Aus dieser Falle, so der schwungvolle, kleine Essay, führt nur echte Politik. Etwa in Basisorganisationen von Parteien, in denen man mit anderen durch langfristiges Engagement für Wandel sorgt und sich Menschen als gemeinsame Akteure erfahren. Jägers Modell: die Sozialisten des Roten Wien.