

Ein schöner Po macht Mister Bolling froh
Klaus Nüchtern in FALTER 26/2016 vom 29.06.2016 (S. 27)
In seiner Kafka-Preis-Rede von 1979 bekannte Peter Handke: „Ich bin (…) auf Schönheit aus.“ Ein Jahr später erschien erstmals seine Übersetzung von „Der Kinogeher“, dem Romandebüt des gelernten Arztes Walker Percy (1916–1990), die nun zu dessen 100. Geburtstag neu aufgelegt wurde. Der Icherzähler, ein 29-jähriger erfolgreicher Makler aus New Orleans namens Jack Bolling, befindet sich gerade auf einem Chicago-Trip mit der angeblich suizidalen, auf jeden Fall aber psychisch labilen Kate, der Stieftochter seiner Tante, als er sich genötigt sieht, diese aus einer gefährlichen Versunkenheit zu befreien, denn „Schönheit, die ausschließliche Suche nach Schönheit, bringt Verderbnis“. Das Gegengift? Geld.
Trotz solch kontroverser Ansicht ist der 1961 erschienene Roman, der längst zu einem Klassiker der Südstaatenliteratur avancierte, ein echtes Handke-Buch. Es ist gesättigt vom Flair der Vororte; es wird oft, aber ohne allen cineastischen Ehrgeiz ins Kino gegangen; es wird viel übers Land gefahren, ja das Buch selbst hat in seiner beiläufigen, episodischen Struktur etwas Roadmovieartiges.
Die unvermittelten Auftritte eines ganzen Schüppels von Nebenfiguren mit so schönen Namen wie Sartalamaccia oder Schexnaydre lassen bei der Lektüre daran denken, dass „unvermittelt“ wohl so etwas wie die geheime ästhetische Leitkategorie ist in einem Roman, dessen Held – ein scharfer, aber kein zynischer Beobachter – gegen den Feind „Alltäglichkeit“ ankämpft und auf Unerhörtheit aus ist: „Eine ,Unerhörtheit‘ ist nach meiner Definition die Erfahrung des Neuen jenseits der Erwartung der Erfahrung des Neuen.“
Regelmäßig verguckt sich Bolling in seine Sekretärinnen, also auch in Sharon und registriert an dieser
Vorzüge, die auch den Autor und seinen Übersetzer kaum kaltgelassen haben dürften: „Eigentlich ist sie nicht schön (…). Aber ihr Anblick erfrischt. Ihr Hintern ist so schön, dass meine Augen sich mit Tränen der Dankbarkeit füllten, als sie einmal quer durch den Raum zum Wasserkühler ging.“