

Kirstin Breitenfellner in FALTER 29/2025 vom 16.07.2025 (S. 28)
Der Tod der Mutter steht am Anfang von Annie Ernaux' 1987 verfasstem, tief beeindruckendem Erinnerungsbuch "Eine Frau". Das Tagebuch des drei Jahre dauernden Verfalls ihrer Mutter jedoch konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal selbst lesen. Es erschien als Chronik eines langsamen Abschieds 1996 erstmals auf Französisch und mit beinahe 30 Jahren Verspätung als "Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus" nun auf Deutsch.
Ernaux schreibt dicht an der Realität, lapidar, ohne Umschweife, eindringlich. Sie erlebt die Mutter, die an Alzheimer leidet und nach der Diagnose im Pflegeheim lebt, als eine Art Doppelgängerin. Und sie erscheint ihr zunehmend als eine Fremde: "Sie ist meine Mutter und sie ist es nicht mehr." Liebe und Gleichgültigkeit, Weinen und Schuldgefühle wechseln sich ab.