Das unmögliche Objekt

Eine postfundamentalistische Theorie der Gesellschaft
480 Seiten, Taschenbuch
€ 26.8
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
Reihe suhrkamp taschenbuch wissenschaft
ISBN 9783518296554
Erscheinungsdatum 21.10.2013
Genre Soziologie/Soziologische Theorien
Verlag Suhrkamp
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags


Im Anschluss an sein vielbeachtetes Buch Die politische Differenz legt Oliver Marchart nun die komplementäre Studie zum Begriff der Gesellschaft vor. Es gibt schlechterdings kein Konzept, das unter Sozialwissenschaftlern umstrittener wäre als der eigene Grundbegriff. Gilt er den einen als unverzichtbar, so halten ihn die anderen für überflüssig oder gar schädlich. Entlang der Kämpfe um dieses so notwendige wie unmögliche Objekt »Gesellschaft« präsentiert der Autor eine alternative Geschichte der Sozialwissenschaften von Durkheim bis in die Gegenwart. Zugleich wird erstmals eine systematische Zusammenschau der jüngsten »poststrukturalistischen« Sozialtheorien von Foucault über Latour bis Laclau geleistet. Vor diesem Hintergrund präsentiert das Buch ein engagiertes Plädoyer für die Neubelebung der Gesellschaftstheorie.


Mehr Informationen
Reihe suhrkamp taschenbuch wissenschaft
ISBN 9783518296554
Erscheinungsdatum 21.10.2013
Genre Soziologie/Soziologische Theorien
Verlag Suhrkamp
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Prekariat und Protest erklären uns die Gesellschaft

Isolde Charim in FALTER 8/2014 vom 21.02.2014 (S. 18)

Wie sollen Sozialwissenschaften definieren, was Gesellschaft ausmacht? Oliver Marchart sucht die Antwort dort, wo es kriselt

Kennen Sie den Fred-Astaire-Effekt? Dieser entsteht, wenn lange und harte Arbeit in ihr Gegenteil kippt – in jene Leichtigkeit und Souveränität, der man ihre Herkunft nicht mehr ansieht. Oliver Marchart ist so ein Fred Astaire der Theorie.
In seinem neuesten Buch macht er sich daran, den Begriff der "Gesellschaft" wiederzugewinnen. Diesem Begriff wird seit Jahren von zwei Seiten zugesetzt: zum einen vom neoliberalen Mainstream – mit Thatchers Credo "There is no such thing as society" –, zum anderen von all jenen postmodernen Theorien, die jegliche Totalität auflösen.
Der Einsatz ist also ein doppelter: ein politischer und ein theoretischer. Marktindividuen, Begehrensströme, Pluralitäten – gegen all das muss man anschreiben, will man den Begriff der Gesellschaft wieder auf die Tagesordnung setzen. Und Marchart will.
Dazu nimmt er uns auf eine lange Exkursion in die Sozial- und Gesellschaftswissenschaften, deren Geschichte er neu schreibt. Marchart erweist sich dabei als hervorragender Leser – die Königsdisziplin der Theorie –, der Komplexes pointiert und verständlich darstellen kann. Darin liegt schon der erste Gewinn des Buches. Marchart zeigt, dass ein guter Leser einer ist, der selber einen Standpunkt hat. Dieser ist für Marchart der Postfundamentalismus.
Das ist jene Theorie, die davon ausgeht, dass unsere Gesellschaft nicht mehr auf letzten Gründen (wie Gott, Vernunft oder Geschichte) ruht, sie aber dennoch einer Grundlage bedarf. Diese ist dann ein veränderbares Fundament, eine partielle Totalität – fixe Vorstellungen, die jederzeit umgeschrieben werden können.
Alle Grundlagen können also "auch anders sein" – das ist Marcharts Definition von Kontingenz. Kontingenz meint nicht Zufall, sondern die Möglichkeit, dass alles auch anders sein könnte. Das genaue Gegenteil des zweiten neoliberalen Credos: "There is no alternative." Es gibt Alternativen, weil unsere Grundlagen kontingent sind. Das impliziert aber den Konflikt. Die Möglichkeit von Alternativen erzeugt und bedarf des Konflikts.

Ein Mobile an Ideen
Marcharts Lektüre der Soziologiegeschichte ist eine symptomale Lektüre – die Suche nach jenen blinden Flecken, die dieses Moment der Kontingenz von Gesellschaft verleugnen. Was er damit konstruiert, ist kein neues Theoriemonument, das auf dem Betonsockel von fixen Ideen steht, sondern ein "Mobile", das "mobile Ideen"– ganz im Sinne des Astaire-Effekts – aneinanderfügt.
Dieses Mobile behauptet: Es gibt sie noch, die gute alte Gesellschaft – allerdings hat sie sich verwandelt. Sie ist zu einem postfundamentalistischen Begriff geworden, zu einem "unmöglichen Objekt" wie der programmatische Titel besagt. Denn diese "Gesellschaft" ist nicht positiv darstellbar. Sie ist vielmehr wie ein Unterbewusstsein zu verstehen, das sich nur in seinen Symptomen "äußert": Das unmögliche Objekt "Gesellschaft" ist nur in seinen Krisen, Störungen, Konflikten präsent.
Wir sind nur dann mehr als ein Haufen von Individuen, wenn diese Gesamtheit nicht funktioniert – lautet die paradoxe These. Wir erfahren Gesellschaft also nicht als Fülle von Zusammengehörigkeit, sondern in der Auseinandersetzung, im Streit, im Konflikt.
Deshalb fragt eine postfundamentalistische Gesellschaftstheorie nicht: Was ist Gesellschaft?, sondern: Was hindert sie, eine Gesellschaft zu werden? Sie darf nicht dem "imaginären Wunschbild einer versöhnten Gesellschaft" folgen, sondern muss von dem unmöglichen Objekt ausgehen, das heißt, von dessen historisch je spezifischen Blockaden.

Keine Gewissheitsformeln
Mit dieser Fragestellung läutet Marchart die Rückgewinnung der Gesellschaftskritik ein – eine Disziplin, die schon verloren schien. Die Soziologie habe, so der Autor, den Verunsicherungserfahrungen, den Zumutungen der Moderne mit der Produktion von neuen "Gewissheitsformeln" geantwortet. Aufgabe der Soziologie sei es aber gerade nicht, neue Fundamente für das Zusammenleben zu liefern.
Ganz im Gegenteil, sie habe vielmehr zu fragen: Wo liegt die spezifische Kontingenz, was ist der Konfliktcharakter der konkreten historischen Situation?
Und Marchart ist so redlich, im zweiten Teil des Buches selbst eine Antwort auf diese Frage zu versuchen. Für ihn liegt die heutige Blockade der Gesellschaft in zwei Momenten: dem, was er als "Prekarisierungs-", und dem, was er als "Bewegungsgesellschaft" bezeichnet.
Ersteres meint, dass das Prekariat nicht nur eine Bevölkerungsschicht betrifft, sondern der grundlegende Funktionsmodus unserer Gesellschaft ist: die Prekarisierung aller Verhältnisse. Zweiteres, die Bewegungsgesellschaft, bezeichnet die Allgegenwart von Protest. Diese verdient besondere Aufmerksamkeit, sind doch Proteste, Auseinandersetzungen, Kämpfe genau jene Momente, in denen das unmögliche Objekt Gesellschaft erscheint. Nur im Streit um das Gemeinwohl ist Gesellschaft als "Totalität" präsent.
Gesellschaft ist ja laut Marchart jenes ständig entgleitende Objekt, um dessen Fixierung alle streiten. In jedem Protest – und das ist wohl der brisanteste Befund des Buches – wird also immer zweierlei verhandelt: der je konkrete Inhalt, die einzelnen Forderungen, die aber dadurch, dass sie überhaupt erhoben werden, die Gesellschaft als Ganzes, als unmögliche, unerreichbare Totalität aufblitzen lässt.
Diese Bestimmung von Protest als Einsatz und Medium des Gesellschaftlichen zugleich – das ist die These, die dieses im besten Sinne streitbare Buch zur Diskussion stellt. Wir sollten die Herausforderung annehmen.

weiterlesen