

Geist der Knechtschaft
Robert Misik in FALTER 21/2024 vom 22.05.2024 (S. 19)
Es ist vielleicht die spektakuläre Schlüsselformulierung der feministischen Theorie, Simone de Beauvoirs Wendung aus "Das andere Geschlecht" nämlich: "Man wird nicht als Frau geboren, man wird es."
Manon Garcia, geboren 1985, ist nach Stationen in Harvard und Yale Professorin für Praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin. In Frankreich zählt sie zu den meistgelesenen Philosophinnen ihrer Generation. In ihrem aktuellen Buch umkreist sie Fragen um Geschlechterrollen, Frauenbilder und die Differenzen von "Sex" und "Gender", wie sie seit Beauvoirs grandiosem Schlüsselwerk verhandelt werden. Dabei tritt sie in einen intellektuellen Dialog mit Simon de Beauvoir und konzentriert sich auf so spannende wie umstrittene Fragen wie: Wie viel Begehren, Unterwerfung, ja auch Häuslichkeit sind mit dem Anspruch auf Unabhängigkeit vereinbar? Was also, wenn Frauen ihrer eigenen "Unterwerfung" zustimmen? Können Hausfrauen auch Feministinnen sein? Und wenn ja, wie?
"Wir werden nicht unterwürfig geboren", so der Titel von Garcias Großessay. Und sie fragt sich: Kann es eine "Lust an der Unterwerfung" geben, die die Unterwerfung stützt? Unterwerfung sei etwas anderes als Beherrschung und Unterdrückung. Unterdrückung ist ein autoritärer Vorgang, aber wenn Unterwerfung ins Spiel kommt, machen die Unterworfenen an ihrer Unterwerfung mit. Garcias Studie will eine sein, die die "Unterwerfung aus Sicht der Unterworfenen" betrachtet. Es sind Diskurse, Rollenmuster und gesellschaftliche Paradigmen, die die Unterwerfung der Frau "als normales, moralisches und natürliches Verhalten" verordnen. Keineswegs unterstützt die Feministin Garcia pausbäckige Thesen vom "Ewigweiblichen", also von einer "unterwürfigen weiblichen Natur". Sie diagnostiziert fest eingebrannte Muster, die das weibliche Zurücktreten, das Anpassen, das Akzeptieren von Ungleichbehandlung als naheliegend festschreiben und letztlich die patriarchale Ordnung stützen.