Das unbesetzte Gebiet. Im schwarzen Berg

132 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518416341
Erscheinungsdatum 12.07.2004
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

42 Tage lang, im Mai und Juni 1945, war das erzgebirgische Schwarzenberg unbesetztes Gebiet. Die Einwohner, die Flüchtlinge, Ostarbeiter und marodierende Soldaten fanden sich unverhofft im Niemandsland. Niemand war zuständig für sie, wer würde sie versorgen? Es begann eine herrschaftslose Zeit, nämlich ein großes »Durchenanner«; und das hieß für die einen ein banges Warten und für die anderen, wenigeren, ein »unverschämtes Beginnen«. Denn wenn man sie vergessen hatte, mußten sie sich auf sich selbst besinnen. Das ist eine Geschichte wie aus Hebels Kalender, und keine Person, keine Handlung ist erfunden, sie will ihre Kraft, ihre Rührung aus dem Wirklichen ziehen. – Ein Anhang enthält Erkundungen, Grabungen im schwarzen Berg; und wieder spricht das Massiv: Seht, wie ihr weiterkommt. Vor Ort, im Dunkeln, bewährt sich der Satz des Autors: »Jetzt bin ich in der Geschichte, und eine andere Frage stellt sie nicht, auch wenn sie vorbei ist; vorbei und verloren ist, und man sieht nun, was wahr war und was nicht war. Denn es ist jetzt mein eignes Gebiet, das unbesetzt ist, von den Truppen der Doktrin und des Glaubens, und nur Hoffnung vielleicht siedelt, die uns betrügt und weiterträgt.«

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FALTER-Rezension

Jörg Magenau in FALTER 34/2004 vom 20.08.2004 (S. 44)

Der Dichter als Bergmann: Volker Braun schürft in der jüngeren Vergangenheit seiner sächsischen Heimat und bringt Erstaunliches ans Licht.

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, wurde ganz Deutschland von alliierten Truppen besetzt. Ganz Deutschland? Nein. Der Landkreis Schwarzenberg im Erzgebirge - Doch hier enden mögliche Parallelen mit dem kleinen gallischen Dorf. Schließlich waren die Alliierten keine römischen Invasionstruppen, sondern kämpften Hitlerdeutschland nieder. Und Schwarzenberg leistete glücklicherweise keinen tapferen Widerstand. Es wurde einfach vergessen. Die Amerikaner blieben westlich stehen, die Russen östlich, so dass ein paar Antifaschisten die Gunst der Stunde nutzten und die Verwaltung in die Hand nahmen. Bis dann am 25. Juni 1945 ein Kapitän der Roten Armee mit zehn Soldaten und einer Dolmetscherin vorfuhr und die sowjetische Kommandantur einrichtete. Ende des Experiments.

Stefan Heym hat diese Ereignisse in seinem 1984 erschienenen Roman "Schwarzenberg" schon einmal erzählt - als heroische Legende einer Revolution aus eigener Kraft. Nun, im post-utopischen Zeitalter, hat sich der gebürtige Dresdner Volker Braun dieser Geschichte aus der sächsischen Heimat angenommen. Seine Erzählung über "Das unbesetzte Gebiet" hat den burlesken Ton einer Farce, in der Menschen über die herumliegenden Gelegenheiten eher stolpern als etwas daraus zu machen. Sie kämpfen am Ende noch nicht einmal mit den Tränen. Denn, so weiß der Erzähler, "sie hatten die Freiheit nur geborgt oder gefunden; und besessen, um sie pflichtgemäß abzugeben."

In all seinen Büchern fragt Braun hartnäckig nach dem Menschen und den Machtverhältnissen, in denen dieser existiert: Kann er aus all seinen Bindungen heraustreten und die Geschichte selbst in die Hand nehmen? Kann er mehr sein als ein egoistischer Fresser? Schwarzenberg als Niemandsland flüchtiger Möglichkeiten ist ein Experimentierfeld für diese Grundfragen. Doch wenn die Amerikaner geahnt hätten, dass in den Bergen um Aue nicht nur Eisenerz, sondern auch Uran zu finden ist, wäre die Geschichte vermutlich anders verlaufen. Mit der "Wismut" entstand hier schließlich ein abgeschirmter Staat im Staate unter sowjetischer Kontrolle. Über diese List der Geschichte kann Braun sich noch heute amüsieren. Doch darüber hinaus wird ihm Schwarzenberg zur großen Metapher des eigenen Denkens: "Denn es ist jetzt mein Gebiet, das unbesetzt ist, von den Truppen der Doktrin und des Glaubens, und nur Hoffnung vielleicht siedelt, die uns betrügt und weiterträgt."

In der Erzählung "Bodenloser Satz" befasste sich der Autor schon 1988 mit der Zerstörung von Landschaft und Dörfern im sächsischen Tagbaugebiet. Braun wusste, worüber er schrieb: In den Jahren 1958/59 war er Tiefbauarbeiter im Kombinat Schwarze Pumpe. Mittlerweile ist er gar unter Tage unterwegs. "Im schwarzen Berg" nennt er eine Sammlung von Prosaminiaturen, die die Erzählung vom "unbesetzten Gebiet" ergänzen und kommentieren.

So wie ein Bergmann Flöze anschneidet und Proben zutage fördert, so gräbt Volker Braun in den Stollen der Geschichte und bringt die erstaunlichsten Dinge ans Licht. Die Proben, die er dem schwarzen Berg entnimmt, verweisen auf Kant, Bloch, Kleist, Hebel, Brecht und Peter Weiss, selbstverständlich auf Stefan Heym, vor allem aber auf Franz Fühmann, der ja tatsächlich mit Bergleuten eingefahren ist und bis zu seinem Tod an dem unvollendet gebliebenen Buch "Im Berg" gearbeitet hat. "Man müsste ihm nachsteigen", schreibt Braun heute in einem Epitaph für Fühmann. "Aber sein Streb ist verschüttet, und wo er die Sprenglöcher setzte - Parteilichkeit, Schriftsteller im Arbeiterstaat' - fährt kein Hunt mehr hin. Der ganze Schacht ist stillgelegt."

Eine mörderische Geschichte von unerlaubter Liebe und verbrauchter Hoffnung erzählt Braun unter dem Titel "Ein anderer Woyzeck". Sie spielt ebenso wie die Geschichte vom Brandstifter Christian Sporn in der Gegend um Schwarzenberg, allerdings im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, als der Wiener Kongress tagte und Sachsen halbiert wurde. Diese Justizgeschichten sind separat in einem Insel-Bändchen erschienen. Es bleibt rätselhaft, warum der Suhrkamp Verlag sie nicht in das Schwarzenberg-Buch integriert hat. Denn da gehören sie hin: als tiefere Geschichtsschichten dieser Region.

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