

Das Frühwerk eines Sprachzuhälters
Julia Zarbach in FALTER 10/2010 vom 12.03.2010 (S. 22)
Er hieß Onetti, lächelte nicht, trug eine Brille und ließ ahnen, dass er nur Frauen mit blühender Fantasie und engen Freunden sympathisch sein konnte."
So beschreibt sich der uruguayische Schriftsteller Juan Carlos Onetti in einem seiner Romane selbst und gibt damit einen Einblick in sein zurückgezogenes Dasein als besessener Bücherwurm, der neben dem Schreiben als einzige Vergnügungen Zigaretten, Alkohol und Frauen kannte.
Obwohl der Name Onetti im deutschen Sprachraum bei weitem nicht den Klang und die Popularität besitzt, die er in der spanischsprachigen Welt hat, hat man seinen 100. Geburtstag doch zum Anlass genommen, eine Werkausgabe zu initiieren, deren erster Band das Prosafrühwerk dieses Sprachzuhälters dem geneigten Leser näherbringen soll (teilweise in deutscher Erstübersetzung). Onettis Leben, das sich bis zu seinem spanischen Exil in den 70er-Jahren zwischen Montevideo und Buenos Aires abspielte, war ungemein produktiv: Neben elf Romanen zählen zahlreiche Erzählungen zu seinem uvre.
Schon im Frühwerk breitete Onetti jenen düsteren Kosmos aus atmosphärischen Unterwelten, vernebelten Psychen, schmutziger Philosophie und Mate-Tee trinkenden Prostituierten vor, der später mit Santa María einen fiktiven, aber konkreten Ort bekommen sollte. In den drei ersten Romanen des Autors, "Der Schacht" (1939), "Niemandsland" (1941) und "Für diese Nacht" (1943), existiert diese aus einem feuchten Tagtraum geborene Stadt noch nicht. Dennoch kündigen sich die zentralen Motive Onettis bereits an: so in "Niemandsland", wo aus dem städtischen Boden junge Menschen ohne Werte sprießen.
Seine literarischen Stoffe entstehen bei diesem allein aus episodenhaften Stimmungsbildern, denn, wie der Romanist Gerhard Poppenberg so treffend in seinem fachkundigen Nachwort festhält, "die Handlung (ist) das Wenigste an Onettis erzählenden Texten".
Viel wichtiger war ihm dichterische Präzision, und der Höhepunkt des Bandes – "Der Schacht" – ist denn auch ein Meisterstück sprachlicher Dichte. Juan Carlos Onetti weiß die Form seiner Schattenwelten zu beherrschen – und genau das macht seine Prosa zeitlos.