Der Kalte

Roman
660 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518423554
Erscheinungsdatum 17.02.2013
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Österreich in den »Waldheimjahren« zwischen 1985 und 1989. Drei »Kulturkämpfe« toben nebeneinander und sind doch untrennbar miteinander verbunden: der Kampf um einen neuen Staatspräsidenten, der Kampf um ein Antifaschismusdenkmal und der Kampf um »das« Theater, »die Burg«. Und inmitten dieser Auseinandersetzungen kämpft ein Einzelner, kämpft gegen das Vergessen und Verdrängen der NS-Zeit: der Spanienveteran und KZ-Überlebende Edmund Fraul. Dieser Fraul ist das Zentrum aller Bewegung: Dem Lager nie entkommen, bis ins Mark kalt, merkt er selbst, dass er Gefühle nicht äußern, nicht einmal spüren kann. Bis er auf seinen ziellosen Wanderungen durch Wien einem ehemaligen KZ-Aufseher begegnet und mit ihm ins Gespräch kommt: über Auschwitz.
In seinem lang erwarteten zweiten Roman nach »Gebürtig« führt uns Robert Schindel erneut in den Wiener Kosmos: in eine Welt politischer, künstlerischer und menschlicher Gegensätze, Feindschaften, Amouren, Bindungen und Zerreißproben. In ein Geflecht von Tragödien und Liebesgeschichten, die so gut glücklich enden können wie tödlich. Figurenreich und vielperspektivisch ist dieser Roman, weltstädtisch und detailverliebt, so kämpferisch wie sanft und von großer sprachlicher Schönheit – und getragen von der Hoffnung, dass Blut und Wärme einer neuen Zeit in die gefrorenen Charaktere und in den Körper einer veränderten Gesellschaft zurückkehren.

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FALTER-Rezension

Waldheim heißt jetzt Wais

Klaus Nüchtern in FALTER 7/2013 vom 15.02.2013 (S. 26)

In "Der Kalte" erzählt Robert Schindel auf 650 unlektorierten Seiten die Waldheim-Ära nach

Der historische Roman wird durch die Distanz des Autors zur beschriebenen Epoche bestimmt. Weil diese in der Regel so groß ist, dass Unterlassungsklagen von Thomas Cromwell oder Joseph und seinen Brüdern nicht zu gewärtigen sind, werden berühmte Personen im historischen Roman in der Regel mit Klarnamen genannt.
Schreibt der Autor indes über tatsächliche Begebenheiten aus der eigenen Lebenszeit, kann es sein, dass Jörg Haider auf einmal Jupp Toplitzer heißt. Das Genre Schlüsselroman ist allerdings heikel, weil es von einer doppelten Fragwürdigkeit begleitet wird – einer moralischen und einer ästhetischen. Erstere besteht in dem immunisierungstaktischen Kniff, jemanden meinen zu können, ohne ihn/sie nennen zu müssen; zweitere in dem Trick, mit billigen Wiedererkennungseffekten zu operieren.
Genau dies tut Robert Schindels Roman "Der Kalte" auf exzessive Weise. Das ganze Personal der sogenannten "Waldheim-Affäre" wird aufgerufen und mit unschwer zu entschlüsselnden Decknamen versehen, hinter denen sich die mit ihrem Klischee weitgehend deckungsgleichen A-, B- und C-Promis der österreichischen Polit-, Kultur- und Medienszene der 1980er-Jahre verbergen.
Der vergessliche Bundespräsident mit der SA-Vergangenheit heißt jetzt Wais, der burgenländische Melancholiker im Kanzleramt Marits, der polternd-populistische Wiener Bürgermeister Purr, der wodkasaufende Macho-Bildhauer Krieglach, der selbstherrlich-infantile Burgtheaterdirektor Schönn … usw., usf. Einzig mit Klarnamen gewürdigt: der Szenewirt Kurt Kalb und der Falter.

Für Zeitzeugen mag das als moderat unterhaltsame Grundlage für "Trivial Pursuit"-Spiele im Bekanntenkreis ("Wie hieß noch mal die burgenländische SPÖ-Landtagsabgeordnete, die den Sinowatz hat auffliegen lassen?") hinreichen, für alle anderen ist es wohl weniger interessant.
Auf der Ebene des Polit-Plots ist der Roman überhaupt recht unergiebig, da die anekdotische Verdoppelung des ohnedies Bekannten durch keinerlei Bemühen um Suspense kompensiert wird.
"Bis da einer bei der Haustür draußen is und beim Gartentürl, sind schon 60 Seiten weg", ätzte einst Thomas Bernhard. Im "Kalten" geht es zwar ein Spürchen flotter zu, aber es werden bloß leere Kilometer gemacht: "Karl Fraul landete in Berlin-Tegel, nahm sich ein Taxi und fuhr zu einer kleinen Pension am Olivaer Platz. Von seinem Fenster konnte er auf den Beginn der Lietzenburger Straße sehen. Er überquerte diese dann, ging vor bis zur Pariser Straße, bog entschlossen in sie ein und marschierte über den Ludwigkirchplatz, nahm an der Uhlandstraße beim dortigen Italiener Platz, aß Spaghetti, schaute auf die Uhr."

Neben den bekannten Personen gibt es im Roman aber auch noch ein ganzes Schüppel fiktiver Figuren, deren Lebenswege einander kreuzen und spiegeln. Da ist zum Beispiel der junge, wahlweise Karl oder Karel genannte Schauspieler Fraul, der unter den gestrengen Heroismusansprüchen seines Vaters mit der Musterbiografie des unkorrumpierten Auschwitz-Insassen leidet.
Kar(e)l ist ein ziemlicher Kotzbrocken und wird, nachdem sich die von ihm verlassene Freundin umgebracht hat, von Schuldgefühlen zerfressen. Ausgerechnet der kleine Bruder der Selbstmörderin, der sich in eine im Zuge der Causa Waldheim nach Israel ausgewanderte Jüdin verliebt hat, kämpft ebenfalls mit der Imago des übergroßen Vaters, eines frühverstorbenen Kammersängers.
Dieses figurenreiche Ensemble sorgt für fast ebenso viele Perspektiven, die ständig wechseln. Das steigert freilich nicht die Komplexität, sondern lediglich die Kompliziertheit der Erzählung, sintemal es sich der Autor auch noch angelegen sein lässt, vom einen auf den anderen Augenblick – und an einer Stelle sogar mitten im Satz! – von der dritten in die erste Person zu wechseln.
Für die Erzählung leistet diese Manier, die zwischenzeitlich auch wieder aufgegeben wird, gar nichts – außer dass sich die Figuren völlig unplausible Gedanken machen müssen, damit die Leser mit jenen Basisinformationen versorgt werden, die normalerweise ein allwissender Erzähler bereitstellt: "Mich verfolgt seine Geschichte, seit ich seine Bücher gelesen, das Interview gemacht, dachte Apolloner. Meine eigene Geschichte ist ja ganz gewöhnlich als Enkel von Südtiroler Optanten, selber in Graz geboren und aufgewachsen in Innsbruck."
Sobald aber gedacht wird, schlägt der allem Anschein nach unlektorierte Roman, der sich in Hinblick auf den Gebrauch der Modi und Tempora Freiheiten herausnimmt, die durch keine Grammatik des Deutschen gedeckt sind, die wüstesten Kapriolen. Gedanken sind hier meist recht unangenehme Begleiter. "Ins Bett legen und mich von meinen eigenen Gedanken faschieren lassen?", fragt sich entsetzt eine der Protagonistinnen.
Man entkommt ihnen aber nicht. Die Gedanken wuseln als "Ameisenhaufen unter ihrer Schädeldecke" und kriechen "unter der Kopfhaut nach vorn, um sich zwischen den Ohren festzusetzen". Überhaupt haben sie es auf die Hörorgane abgesehen: "Wie schwarze Vögel, die vom Horizont heraufflogen", setzen sie sich "gewissermaßen auf seine Schulter und bespeichelten durch die Ohren seinen Schädel".

Für Stilblüten aller Form und Farben stellt "Der Kalte" ein ideales Biotop dar, denn regelmäßig stolpert die schiefe Metaphorik über die Beine der eigenen Bildlichkeit: "Um die Oberärztin war es still, aber auch in ihr hatte sich das Gefühlsschweigen mehr und mehr ausgedehnt, bildete nach außen Kruste um Kruste, ein beweglicher, atemintensiver Panzer umschloss ihren schlanken Oberkörper. (…) Mit den Jahren wuchs die Versteinerung ihrer Oberfläche, unter welcher der geschmeidige Panzer wirkte. Lediglich durch Inges Gesichtsöffnungen konnte eindringen, was sie traurig, gleichgültig oder gelegentlich auch herzlich stimmte."
Der Autor hat sichtlich die Ambition, jeden noch so altersschwachen Austriazismus zu konservieren, schreibt aber ganz altfränkisch "altväterisch" und hat eine fragwürdige Vorliebe für das Verb "verklickern". Und die als verächtliches Pars pro toto gebrauchte Bezeichung für das weibliche Schamhaar ist dem grammatischen Geschlecht nach nun einmal männlich, weswegen es "der Brunzbuschen" heißen muss und nicht "die Brunzbusche".
Auch Robert Schindel selbst kommt in seinem Roman vor. Er trägt dort den Namen Hirschfeld und meint einmal: "Ich bin und bleibe Lyriker." Damit hat er wohl recht.
Die burgenländische Politikerin hieß übrigens Ottilie Matysek.

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