

Matthias Dusini in FALTER 12/2014 vom 21.03.2014 (S. 34)
Die deutsche Mutti kennt das Publikum aus Loriots Komödie "Ödipussi", wo die Emanzipationsversuche eines verklemmten Sohns in den mütterlichen Umarmungen ersticken. Hans-Ulrich Treichel spielt nun das ganze Repertoire einer neurotischen Mutter-Sohn-Beziehung am Beispiel eines Reiseführerautors und einer resoluten Witwe durch, von den unangenehmen Berührungen im Rahmen eines gemeinsamen Mittagsschläfchens bis zu nicht zu vermeidenden Schuldgefühlen, die jeden Ausbruchsversuch begleiten. In einem an das psychoanalytische Idiom angelehnten Tonfall formuliert der Protagonist den ambivalenten Mamakomplex als "ein in sich kompliziert verknotetes Wünschen und Sehnen und Fürchten und Bangen". Dieses Ringen um Loslösung beschreibt Treichel in mitunter grotesken Szenen, etwa wenn die Mutter den Sohn dazu auffordert, ihre Brust-OP-Narbe zu berühren. "Allenfalls ein Kieselstein wäre ich gerne gewesen."