Wir brauchen neue Namen

Roman
264 Seiten, Hardcover
€ 22.6
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ISBN 9783518424513
Erscheinungsdatum 18.08.2014
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
Übersetzung Miriam Mandelkow
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Die zehnjährige Darling lebt im Chaos einer Blechhüttensiedlung. Paradise heißt ihr Zuhause, und fast alles fehlt: der Vater, die Schule, der Fernseher oder auch nur genug zu essen. Doch hier lassen einen die Erwachsenen in Ruhe, die Entwicklungshelfer verschenken Spielzeug und in ganz Afrika kann man nirgendwo besser Guaven klauen. Für alle anderen ist Paradise ein Scherbenhaufen aus zerbrochenen Träumen, für Darling der einzige Ort, der ihr ans Herz gewachsen ist. Gerade als Darling anfängt zu verstehen, wird sie von ihrer Tante in den USA fortgerissen. Üppiges Essen, der Fernseher, die Schule – das alles ist bald selbstverständlich, nur steht sie im neuen Paradies bald vor ihrer größten Aufgabe …

»Wir brauchen neue Namen« beschwört die Abenteuer eines Mädchens an einem unwirtlichen Ort Afrikas. NoViolet Bulawayo verleiht ihrer Heldin dabei eine einzigartige Stimme, die trotz allem beharrlich Lust am Leben versprüht. Und am Ende steht eine Geschichte, deren Reizen man sich nicht entziehen kann – saftig und bittersüß, genau wie Darlings geliebte Guaven.

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ISBN 9783518424513
Erscheinungsdatum 18.08.2014
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Verlag Suhrkamp
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FALTER-Rezension

Darling in einem Slum namens Paradise

Sigrid Löffler in FALTER 41/2014 vom 10.10.2014 (S. 29)

Simbabwe, ruiniertes Land: NoViolet Bulawayos Debütroman "Wir brauchen neue Namen"

Die Autorin, die sich NoViolet Bulawayo nennt, hätte jeden Grund zur Wehklage. Schließlich ist das afrikanische Land, aus dem sie stammt und über das sie ihren ersten Roman geschrieben hat, ein Ort des Jammers. Simbabwe, die ehemalige britische Kolonie Rhodesien, ist ein ruiniertes Land. Es hat 35 Jahre Misswirtschaft, Ausbeutung, Megakorruption, Wahlbetrug, Hungersnöte und Verelendung unter dem ewigen Diktator Robert Mugabe hinter sich.
Für die Autorin wäre es also durchaus nahegelegen, ihre Jugendgeschichte über das Aufwachsen im zerstörten Simbabwe als Anklage-Litanei zu erzählen. Doch Bulawayo tut genau das nicht. Vielmehr wählt sie eine Erzählperspektive, die ihr gestattet, die Misere ihres Landes mit Witz, Impertinenz, Aufsässigkeit, Zorn und wildem Humor zu beschreiben.

Ihre Erzählerstimme ist der Kindermund. Das anfangs zehnjährige Mädchen Darling ist unser Gewährskind. Darling erzählt vom Kinderleben in einem afrikanischen Slum namens Paradise: scharfsichtig, nüchtern, altklug. Und immer in einem buntscheckigen und eigenwillig gemixten Slang aus Englisch und Lokalsprache, den Miriam Mandelkow treffend und lebhaft ins Deutsche übersetzt hat.
Darling gehört zu einer Gang von gewitzten Straßenkindern, die Bastard, Chipo oder Godknows heißen und die Barackensiedlung Paradise als ihren Abenteuerspielplatz betrachten, der sich bis ins benachbarte Budapest ausdehnt. Budapest heißt die angrenzende Villensiedlung, in der Weiße und wohlhabende Afrikaner in gepflegten Häusern wohnen, mit allen Annehmlichkeiten westlichen Komforts. Darling und ihre Freunde fallen gerne in die Gärten von Budapest ein, um sich mit geklauten Guaven die Bäuche vollzuschlagen, denn in Paradise gibt es nie genug zu essen.
Es gibt auch keine Schule, denn die Lehrer haben längst das Land verlassen. Die medizinische Versorgung funktioniert nicht, weil die Ärzte dauernd streiken. Und die großen Hoffnungen der Armen auf Wandel durch demokratische Wahlen und eine Wendung zum Besseren haben sich zerschlagen, weil sich der bereits abgewählte Präsident 2008 durch eine gefälschte Stichwahl doch wieder an die Macht gestohlen hat.
Aus allem, was sie erleben und mitkriegen, machen die Kinder ein Spiel. Sie spielen sogar Abtreibung mit der elfjährigen schwangeren Chipo, die von ihrem Großvater vergewaltigt wurde. Wenn sie nicht gerade mit ihren selbsterfundenen Lieblingsspielen wie "Bin-Laden-Suche" oder "Landspiel" beschäftigt sind, dann beobachten und kommentieren die Kinder das Treiben der Erwachsenen. Die meisten sind Frauen, abgerackerte und überforderte Mütter und Großmütter; die Männer sind sonst wo – sie jobben im Ausland, schuften zumeist in südafrikanischen Bergwerken. Als Darlings Vater nach Jahren zurückkommt, ist er ein ausgemergeltes Wrack. Er ist heimgekrochen, um an Aids zu sterben, aber darüber zu sprechen ist tabu.
In diesem Roman verschweigt NoViolet Bulawayo ihren eigenen Namen ebenso wie den ihres Landes. Eigentlich heißt sie Elizabeth Zandile Tshele. Sie wurde 1981 geboren, wuchs auf in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt Simbabwes, und emigrierte 18-jährig zu ihrer Tante in die USA. Dort studierte sie Literatur und graduierte an der Cornell University. Zurzeit ist sie Stipendiatin im kalifornischen Stanford.
Ihr Pseudonym soll an ihre Mutter Violet erinnern, die starb, als die Tochter acht Monate alt war; in ihrer Bantusprache bedeutet "no" so viel wie "mit". Ihr Autorenname ließe sich übersetzen als "Mit meiner Mutter in meiner Heimat Bulawayo". Diese Heimat wird – mit einer Ausnahme – nirgends namentlich genannt. Bulawayo nennt ihr Herkunftsland nur das "elende Land". Erst in den Danksagungen am Schluss fällt erstmals der Name: "Zim, geliebte Heimat, Land meiner Leute." Bulawayo hängt an dem Land, mit dem sie so wortmächtig hadert.

Der Struktur des Romans ist die Herkunft aus losen Einzelerzählungen noch deutlich anzumerken. Er ist ein lockeres Gefüge von Episoden, zusammengehalten allein durch Darlings Erzählerstimme. Überdies zerfällt das Buch in zwei Teile. Etwa in der Hälfte gibt es einen drastischen Schauplatzwechsel – von Paradise nach "Destroyedmichygen" (Detroit, Michigan). Die 13-jährige Darling wird von ihrer Tante in die USA geholt, um eine Ausbildung zu erhalten, doch das lernhungrige Mädchen wird rasch enttäuscht: "In Amerika ist die Schule so einfach, sogar ein Esel würde die schaffen."
Mit dem Schauplatz ändert sich auch der Erzählton. Die kindliche Frische des Slum-Frechlings, die bisher den ganzen Charme dieser Rollenprosa ausmachte, verliert sich. Darling nimmt den skeptischen Tonfall eines Teenagers an, unter dessen ernüchtertem Blick sich Amerika immer mehr entzaubert. Je älter Darling wird, desto desillusionierter die Stimmung. Das Mädchen fühlt sich zerrissen zwischen Afrika und Amerika. Sie ist nirgends mehr zugehörig. Ihrem Herkunftsland ist sie entfremdet, und ihre USA-Hoffnungen sind zerstoben:
"Nach Amerika nahmen wir unsere Träume mit, aber wir würden sie nicht verfolgen. Wir würden nie werden, was wir werden wollten: Ärzte, Anwälte, Lehrer, Ingenieure. Keine Ausbildung für uns, obwohl unsere Visa Ausbildungsvisa waren. Statt zur Uni gingen wir zur Arbeit. Wir senkten den Kopf, weil wir keine Menschen mehr waren; jetzt waren wir Illegale. Wir verbargen unsere richtigen Namen und nannten auf Nachfrage falsche."
So endet, was als muntere Kinder-Suada begann, letztlich doch als apokalyptische Wehklage – über das harte Amerika und über das geschundene Simbabwe. Weder hier noch dort kann sich Darling beheimatet fühlen.

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