Der Perser

Roman
750 Seiten, Hardcover
€ 39.1
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ISBN 9783518424995
Erscheinungsdatum 10.01.2016
Genre Belletristik/Erzählende Literatur
Verlag Suhrkamp
Übersetzung Andreas Tretner
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Eine Dienstreise führt Ilja, einen russischen Geologen, der in den chaotischen neunziger Jahren aus Moskau nach Kalifornien ausgewandert ist, zurück in die Heimat: Im Auftrag eines internationalen Konzerns besucht er Baku und die Halbinsel Apscheron am Kaspischen Meer, seit den Zeiten der Nobels und Rothschilds Standort der Ölförderung. Die ehemals sowjetischen Anlagen gehören heute amerikanischen und arabischen Firmen.

Ilja, der Erdölexperte, trifft seinen Schulfreund Chaschem wieder, einen Ornithologen, der im Naturschutzgebiet Schirwan an der iranischen Grenze eine Falkenkolonie bewacht. Der gebürtige Perser wirkt auch als Künstler, Heiler und tanzender Derwisch. Seine Aura, seine Energie ziehen Ilja in Bann, Chaschems Lebensweise, ganz der Natur, der Spiritualität hingegeben, stellt seine eigene Existenz in Frage.
Mit seismographischem Gespür entfaltet Alexander Ilitschewski eine Geopoetik des Kaspischen Raums: verlorener Garten Eden, historische Landschaft, in der einst die Weltreligionen zusammenfanden, heute eine in geopolitischer, sozialer und ökologischer Hinsicht höchst sensible Zone, deren Zukunft dem Westen bereits zu entgleiten beginnt. Alexander Ilitschewski, herausragender Autor seiner Generation, hat einen stimmgewaltigen, komplexen, enzyklopädischen Gegenwartsroman geschrieben, ein Buch aus dem Geiste Musils und Pynchons.

»Ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Roman.« Ilma Rakusa

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FALTER-Rezension

Kaugummikauen am Kaspischen Meer

Erich Klein in FALTER 11/2016 vom 18.03.2016 (S. 18)

In „Der Perser“ spielt Alexander Ilitschewski die Geschichte des Sowjetimperiums noch einmal durch

Alexander Ilitschewskis Bücher stecken voller surrealer Details. Wenn der 46-jährige russische Schriftsteller seine reale Biografie erzählt, klingt das allerdings nicht minder fantastisch. Ende der 1980er-Jahre kam er als Student der Physikalisch-Mathematischen Kolmogorow-Schule an der Moskauer Lomonossow-Universität, einer der wissenschaftlichen Kaderschmieden der Sowjetmacht, in den Genuss des Militärunterrichts für Akademiker.
Schauplatz dieser obligatorischen Schulung war eine Abschussrampe für Interkontinentalraketen. „Der Unterricht war entsetzlich langweilig – aber ich kann mit Stolz sagen, dass ich einmal im Inneren einer SS 18 Rakete eingeschlafen bin. Die Rakete hieß im Volksmund ,Satana‘ und ihr Sprengkopf hätte vermutlich halb Amerika zerstört.“
Das bald folgende Ende der Sowjetunion war ein weiterer Bruch im Leben des Alexander Ilitschewski. Eine Fortsetzung der akademischen Karriere in Russland war sinnlos geworden, die meisten seiner Studienkollegen wurden Banker, einige Programmierer. „Es gab die unterschiedlichsten Schicksale – manche wurden recht erfolgreiche Geschäftsleute, andere Unternehmer, die schließlich im Gefängnis landeten oder von Auftragskillern ermordet wurden. Damals war alles möglich – auch die Obdachlosigkeit.“
Ilitschewski entschloss sich 1991, ins Ausland zu gehen – zuerst nach Israel ans Weizmann-Institut, später für einige Jahre in die USA. Die Anfangszeit des neuen Russland beschäftigt ihn immer noch, nicht zuletzt aufgrund der damaligen politischen Weichenstellungen. „Wissen Sie, wer im August 1991 gegen die Putschisten auf die Barrikaden ging und für Demokratie kämpfte? Die Intelligenzija, hauptsächlich Wissenschaftler. Unser Geheimdienst kapierte, dass sich eine derartige Situation nicht mehr wiederholen dürfe. Also brachten sie die Wissenschaft um! Heute sehen wir das Ergebnis.“
In den USA begann Ilitschewski Mitte der 1990er-Jahre ernsthaft zu schreiben. Allerdings wurde ihm rasch klar, dass er nach Russland zurückkehren musste. „Ich dachte, wenn ich wirklich Schriftsteller sein will, muss ich dort leben, wo gerade ein radikal neues Leben, eine ganze neue Epoche beginnt. Und wo sich vor allem die Sprache radikal verändert.“
In „Matisse“ (2006), Ilitschewskis erstem großem Roman, wird eine Wissenschaftlerbiografie jener Zeit beschrieben. Der Protagonist Koroljew folgt am Ende nur noch dem Lauf der Sonne. Das Buch wurde mit dem renommierten Russischen Booker-Preis ausgezeichnet.

Mittlerweile sind weitere Romane, Erzählungen und Essays erschienen. Für den soeben ins Deutsche übersetzten Roman „Der Perser“ (2009) erhielt Ilitschewski den hochdotierten Preis „Bolschaja Kniga“. Der 750-seitige Wälzer bildet zusammen mit „Matematik“ (2010) und „Anarchisty“ (2011) eine Trilogie über das 20. Jahrhundert. Schauplatz ist der Raum des Kaspischen Meeres, die Halbinsel Apscheron mit der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Ähnlichkeiten des Autors mit seinem Protagonisten, dem Geologen Ilja Dubnow, der für einen internationalen Ölkonzern nach Apscheron zurückkehrt, sind beabsichtigt. Alexander Ilitschewski wurde ebendort 1970 als Sohn eines Ölfachmannes in Sumgait geboren und wuchs in Baku auf.
Die untergegangene Sowjetunion wird vom Anfang bis über deren Ende hinaus noch einmal einer großen Revision unterzogen. Die Frage, ob auch ihn gelegentlich jene Nostalgie nach dem Sowjetimperium erfasse, wie sie im heutigen Russland so fröhliche Urstände feiert, weist Alexander Ilitschewski kategorisch zurück: „Es war ein monströses Gebilde. Praktisch in jeder, selbst der ärmsten sowjetischen Wohnung hing eine Landkarte mit dem riesigen Erdteil namens Sowjetunion. Wenn die Kinder in der Früh aufwachten, hatten sie gleich diese Karte vor Augen. Vermutlich war die Karte das Wichtigste, was jeder sowjetische Haushalt besaß. Und wie ein Mantra wurde ständig wiederholt: ,Wie gut ist es, dass wir in der Sowjetunion leben!‘ Die Menschen wurden dadurch zu Zombies gemacht.“
Im Lauf des Romans rückt der Biologe Chaschem, Ilya Dubnows Counterpart und Kindheitsfreund, immer mehr in den Mittelpunkt. Er ist „der Perser“ und hat in einem Naturpark nahe der iranischen Grenze eine ökologische Kommune gründet, betätigt sich als Tierschützer und Falkenzüchter.

Diesen iranischen Kindheitsfreund hat es tatsächlich gegeben. Der Sohn eines persischen Geheimdienstmannes, der nach dem Sturz des Schahs gelyncht wurde, floh mit seiner Mutter in die angrenzende UdSSR. Für die Islamische Revolution des Jahres 1979 hat Alexander Ilitschewski ohnedies wenig übrig, galt der benachbarte Iran doch bis dahin als Reich der Freiheit. „Man hörte im Radio westliche Musik, Jazz – der Empfang übers Meer hinweg war ganz gut. Mein erster Kaugummi stammte aus dem Iran. Ein Kaugummi war für ein sowjetisches Kind eine kulturelle Errungenschaft. Es ist ziemlich wichtig, dass ich mich noch immer an den Geschmack dieses Kaugummis erinnern kann.“
Alexander Ilitschewski entwickelt in seinem Roman „Der Perser“ eine Art Geopoetik des kaspischen Raumes. Die Geschichte der zahlreichen dort aufeinanderprallenden Völker, Kulturen und Religionen wird in einer ausufernden, allerdings nie unübersichtlichen Erzählung gebündelt, die sich schließlich als Reise ins Herz der Finsternis (oder des Lichts, das macht dann schon keinen Unterschied mehr) erweist. Wahrheitssuche verdrängt sukzessive eine zurückliegende Liebesgeschichte, opulente Naturbeschreibungen stehen neben Exkursen zur kaspischen Ölindustrie, zum russischen Kapitalismus Ende des 19. Jahrhunderts und zum Versuch der Bolschewiki, in den 1920er-Jahren die Weltrevolution über das Kaspischen Meer in den Osten zu tragen.
„Das Ganze ist eine sehr russische Angelegenheit“, sagt Alexander Ilitschewski über sein Herkunftsland am Südrand des einstigen Imperiums, wo sich immer die Extreme konzentrierten. „Zur Zeit Katharinas der Großen wurde dieses Gebiet mit vertriebenen Freidenkern verschiedener religiöser Richtungen bevölkert. Die Randzonen des Reiches besaßen mehr Freiheit als die Hauptstädte. Nicht zuletzt deshalb kam auch mein Urgroßvater nach Apscheron. Man muss in Russland immer über alle Grenzen hinausgehen, um Freiheit zu erlangen. Darin besteht allerdings auch die russische Tragödie: Die Freiheit gibt es nur hart an der Grenze zum Tod. Normalerweise versuchen die Menschen alles so zu organisieren, um Freiheit im Leben zu erreichen. Bei uns ist diese immer nur jenseits der allerletzten Grenze zu haben.“

Im Roman verkörpert Welimir Chlebnikow diesen Radikalismus. Ihn nimmt sich Chaschem zum Vorbild für sein „ökologisches Phalansterium“. In den 1920er-Jahren hatte der russische Avantgardedichter von einer poetischen Welthauptstadt auf einer Insel im Kaspischen Meer geträumt.
Warum kommt gerade einem Dichter eine derart gewichtige Rolle zu? „Ganz einfach“, meint Ilitschewski, „weil mich Chlebnikows Verbindung von Poesie und Wissenschaft schon immer interessiert hat. Chaschem will alle Utopien realisieren, die sich Chlebnikow über Geschichte und Dichtung, über Religion und Gesellschaft ausgedacht hatte. Mein Buch ist allerdings auch eine Suche nach einem Dialog zwischen Islam und Christentum aus lang vergessenen Quellen diverser Volksreligionen und Spielarten des Sufismus.“
Am Ende des Romans liegt der Öko-Utopist tot am Strand. Die drastische Szene stellt Ilitschewskis Verbeugung vor Imadaddin Nasimi dar. Aserbaidschans erster bekannter Dichter lebte im 15. Jahrhundert und war der Legende nach wegen der blasphemischen Bemerkung „Ich bin Gott“ bei lebendigem Leib gehäutet worden.
Fehlt noch jemand in diesem Romankosmos, dessen Namensliste von Bakus Ölmagnaten Nobel und Rothschild über Trotzki bis zum Softpornostar Sylvia Kristel und zum passionierten Falkenjäger Osama bin Laden reicht? Hätte nicht auch Wladimir Putin in den Roman gepasst?
„In Anbetracht dessen, was Putin bisher alles getrieben hat, könnte er eigentlich vorkommen“, meint Ilitschewski, der Russland vor drei Jahren endgültig verlassen hat und heute in Israel lebt. „Als Person ist Putin aber ganz und gar uninteressant. Alles, was mit ihm zu tun hat, ist banal. Allerdings muss man zugeben – die Banalität des Bösen kann bekanntlich auch Weltmaßstab annehmen. Das wissen wir aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts nur allzu gut.“

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