Die Lieblinge der Justiz

Parahistorischer Roman in achteinhalb Kapiteln
299 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518429068
Erscheinungsdatum 23.03.2020
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
Übersetzung Sabine Stöhr
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag AG
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags



Die Lieblinge der Justiz, das sind Verbrechen und Verbrecher, echte und vermeintliche:


Bohdan Staschynskyj zum Beispiel, ein KGB-Agent und Auftragskiller, der den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera in seinem Münchner Exil ermordet, dann aber wegen der Liebe zu einer ostdeutschen Friseurin mit ihr in den Westen flieht und sich stellt.


Oder Mario, der Kolonialwarenhändler aus Kolomea im östlichen Hinterland der k. und k. Monarchie: Er ist jung, erfolgreich, seiner Frau Maria in schöner, wilder Liebe zugetan – aber seine geheime Verabredung mit einem karpatischen Molfar-Zauberer wird sich als so fatal erweisen, dass ihm nicht einmal mehr Kaiser Franz Joseph daselbst zu helfen vermag.




Juri Andruchowytsch entfaltet in seinem neuen Buch ein die Jahrhunderte umspannendes Panorama von Mord, Liebe und Verrat, von der Monstrosität des Verbrechens und der Justiz. Und doch ist nicht alles, wie es scheint ...


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ISBN 9783518429068
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FALTER-Rezension

Jeder gegen jeden, alle gegen die anderen

Erich Klein in FALTER 11/2020 vom 11.03.2020 (S. 24)

Mit „Die Lieblinge der Justiz“ festigt Juri Andruchowytsch seinen Ruf als bedeutendster Autor der Ukraine

Juri Andruchowytsch ist nicht nur die bekannteste Stimme der ukrainischen Literatur im Westen, er ist auch im ­eigenen Land ein Star mit hohem Provokationspotenzial. Als die „orangene“ ukrainische Revolution Anfang der Nullerjahre im Sumpf landesüblicher Korruption zu versinken drohte, erklärte der Westukrainer selbstbewusst: „Ich mag Kiew nicht.“ Die Hauptstadt sei ihm zu sowjetisch. Und lange vor der Annexion der Krim durch die Russen und den Krieg im Donbas empfahl Andruchowytsch, diese beiden Regionen aufzugeben, politisch gehörten sie ohnedies zu Russland und stünden nur der ­europäischen Integration der Ukraine im Wege.

Sein jüngstes Buch, „Die Lieblinge der Justiz“, trägt den Untertitel „Parahistorischer Roman in achteinhalb Kapiteln“. Die erste der acht eigenständigen Erzählungen holt in furiosem Gestus sogleich bis nach Galizien im 17. Jahrhundert aus: „Samijilo (Samuel) Nemyrytsch, dieser zu früh verdorrte und unglückliche vergessene Spross am Baum unseres nationalen Banditentums, zieht vor allem stilistische Aufmerksamkeit auf sich, und die Außergewöhnlichkeit seiner Verbrechen gründet auf absoluter Freiheit.“

Den barock fabulierenden Erzähler interessieren weniger die Gründe, warum sich sein freiheitslüsterner Protagonist vom Stamme der Kosaken durch Lemberg hurt, stiehlt und mordet; en passant wird über „#MeToo“ gewitzelt. Stattdessen wird vor allem ein Motiv durchgespielt, das sich dann auch durch alle anderen Erzählungen zieht: „Samijlo hatte das Unglück, Ukrainer zu sein und in der Ukraine zu sein – ohne eigene Staatlichkeit, Jurisprudenz, Geschichte und sogar ohne eigene Unterwelt.“ In Amerika hätte er Präsident, in Rom Papst werden können – „in der Ukraine aber hatte er nur die Wahl zwischen Bandit und Aufruhr“.

Eine dritte Wahl trifft der Protagonist des Kapitels „B.S., der Mörder von S.B.“ – den Verrat. Im Oktober 1959 ermordet der Ukrai­ner Bohdan Staschynskyj im Auftrag des KGB in München den Ukrainer Stepan Bandera, seines Zeichens nationalistischer Politiker, im Zweiten Weltkrieg Kollaborateur der Nazis und deren Opfer. Andruchowytsch erzählt die verzwickte Geschichte Banderas, der in der heutigen Ukraine mit unzähligen Denkmälern als Kämpfer gegen den Kommunismus verehrt wird, aus der umgekehrten Perspektive des „nationalen Verräters und sowjetischen Spions“: von Staschynskyjs Anwerbung durch die „Organi“ (weil er einmal beim Schwarzfahren erwischt wurde) bis zur Flucht in den Westen, wo der Mörder ein umfassendes Geständnis ablegt – in der Hochzeit des Kalten Kriegs ein „geopolitischer Skandal“.

Ganz nach dem Motto „ein Schritt nach vorne, zwei Schritte zurück“ springt der Roman „parahistorisch“ ins Lemberg des
17. Jahrhunderts, wo ein gewisser Albert Wiroziemski als falscher Priester karnevaleske Messfeiern veranstaltet, Ablasshandel treibt und in den Armen der Hexe Wulschka aus Bibrk seinen Untergang findet. Ihr attestiert der Erzähler einen gewissen „Hang zu Latex“, der falsche Pfaffe seinerseits benützt beim Liebesspiel eine „Gänsekralle“ und landet auf dem Scheiterhaufen.

Weiters verhandelt wird der Casus des leidenschaftlichen Byron und Dostojewski lesenden Möchtegerndichters, der zu Ostern 1908 den Statthalter Galiziens, Graf Potocki, erschießt. Besagter Myroslaw Sitschynskyj wird zum Tod verurteilt, die Gemahlin des Opfers bittet um Gnade für den Attentäter, Wien kann einen Aufruhr im östlichsten Kronland ohnedies nicht brauchen, schließlich flieht auch dieser ukrainische Nationalheld in die USA, wo er Ende der 1970er-Jahre stirbt. So wenig aus dieser Geschichte zu lernen ist, so wenig lehrt auch die Erzählung des Dienstmägde mordenden Blaubarts aus Drohobytsch Julius Grodt. Außer das: Die maria-theresianische Constitutia Criminalis verstand es, effektvolle Hinrichtungen zu veranstalten, etwa durch „Rädern von unten“.

Obskure Hexer bewohnen das Erzählgebäude des Juri Andruchowytsch, allerlei Scharlatane, Pädophile und zu Unrecht Verurteilte. Den Höhepunkt der opulent erzählten Höllenfahrten durch das Land hinter den Karpaten stellt eine hundertseitige Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg dar. In der Stadt S. – wohl Stanislau, die Heimat des Autors, das heutige Iwano-Frankiwsk – findet am 17. November 1943 die öffentliche Hinrichtung von „Feinden des Dritten Reiches und ukrainischer Nationalisten“
statt.

Zu dieser Zeit ist die Gegend längst „judenfrei“. Er erhebe „keinen Anspruch auf Außergewöhnlichkeit“, bekennt der Erzähler voller Sarkasmus, um sogleich mit einer umfassenden Abrechnung mit allen Mördern, Helfern und Zuschauern des Gemetzels an der Zivilbevölkerung zwischen Hitlers und Stalins Terrormaschinen vorzunehmen. Als da sind: die Deutschen, ungarische Soldaten, alle Arten von ukrainischen Nazi-Kollaborateuren, ukrainische und polnische Untergrundkämpfer sowie sowjetische Partisanen. Kurz: „Jeder kämpfte gegen jeden, alle ermordeten die anderen.“

Am Ende des „parahistorischen Romans“ lässt der Erzähler wie zur Erlösung ein Kino mit dem symbolträchtigen Namen „Kosmos“ einstürzen, schreibt seine eigene Biografie im Zeitraffer bis in die Gegenwart herauf und bekennt: „Die meisten Geschichten dieser Welt sind eben unvollendet.“ Es mag vermessen klingen, aber Juri Andruchowytsch gelingt es tatsächlich, den Horror der ukrainischen Geschichte in Literatur zu verwandeln; dass er der bedeutendste Autor der Ukraine ist, daran besteht nach „Die Lieblinge der Justiz“ ohnedies kein Zweifel mehr.

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