Bitternis

Roman | Ein Epos über starke, zornige Frauen | Eine deutsch-polnische Familiengeschichte, von 1938 bis heute
829 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518431313
Erscheinungsdatum 29.10.2023
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
Übersetzung Lisa Palmes
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags


Kalina Serce, jüngster Spross einer Frauendynastie, Erforscherin einer düsteren Familiengeschichte, betritt eine Villa, die lange Zeit unbewohnt war. Sie tastet nach dem Ebonit-Schalter aus der Vorkriegszeit, um Licht zu machen – eine Ankunft im Unvertrauten.


Mit diesem Haus, der früheren Pension Glück im schlesischen Langwaltersdorf, hat es seine eigene Bewandtnis. Hier traf sich Kalinas Urgroßmutter Berta mit ihrem Geliebten. Berta träumt von einer Flucht mit ihm nach Prag, die der Vater verhindert. Der Hass auf ihn wird so groß, dass sie zu einer ungeheuren Tat schreitet.



Joanna Bators neuer Roman erzählt von weiblichen Lebensentwürfen. Und wie sie scheitern. Im drängenden, sarkastischen, an Elfriede Jelinek erinnernden Ton entfaltet sich das Drama der zornigen Frauen, die ihr Geheimnis durch die Generationen weitergegeben haben. Krieg, Gewalt und privates Unglück haben die Angst und Bitternis hervorgebracht, aus deren Bannkreis erst die Jüngste, Kalina, heraustritt, indem sie davon erzählt. Mit Macht fordert sie das Glück ein, das den Frauen ihrer Familie versagt war.


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ISBN 9783518431313
Erscheinungsdatum 29.10.2023
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
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FALTER-Rezension

Eine Geschichte voll männerförmiger Löcher

Christoph Bartmann in FALTER 42/2023 vom 20.10.2023 (S. 17)

"Bitternis“ kündigt Joanna Bators Roman im (deutschen) Titel an, aber wer spricht heute noch und in welchem Zusammenhang von Bitternis? Im polnischen Original heißt der Roman „Gorzko, Gorzko“, was auf Deutsch „bitter, bitter“ bedeutet. Wenn auf einer traditionellen polnischen Hochzeit die Gäste einmal oder mehrmals in „Gorzko“-Rufe ausbrechen, muss sich das Brautpaar küssen, damit die Feier süßer wird und die Gäste wieder einmal das Glas erheben können.

In Bators großem niederschlesischem Multigenerationenepos ist das Bittere aber durchaus nicht die einzige Geschmacksrichtung. In seinem Zentrum stehen vier Frauen, Mütter und Töchter aus ein und derselben Familie. Ob sie so „stark“ und „zornig“ sind, wie die Verlagswerbung glauben machen will, darf man bezweifeln. Eher könnte man sagen, sie seien, wenn es darauf ankommt, tapfer und notfalls auch wehrhaft. Mit wechselndem Erfolg, aber selten um Einfälle verlegen, wehren sich Bators Frauenfiguren gegen die alltägliche patriarchale Übermacht – allerdings zu einem Preis, der den Gedanken an weibliches Empowerment nicht unbedingt nahelegt.

Sie habe „eine Emanzipationsgeschichte in Form einer Sage“ schreiben wollen, hat die Autorin erklärt. Zur Sage gehören die märchenhaften und fantastischen Motive, die Schrecken und die Wunder, und zur Emanzipation gehört die Knechtschaft, die ihr vorausgeht.

Bators große Sage ist eingebettet in ein umfassenderes Schreibprojekt. Schon lange geht es in ihren Büchern um weibliche Lebensverhältnisse, und zwar in dem einst deutschen und später polnischen Niederschlesien (den „wiedergewonnenen Gebieten“, wie man sie in Polen nannte), und darin besonders in der Bergarbeiterstadt Wałbrzych oder früher Waldenburg.

Die sich über mehr als 80 Jahre erstreckende Handlung nimmt ihren Ausgang während des Zweiten Weltkriegs, als Niederschlesien noch Teil des Deutschen Reiches ist, sie setzt sich fort in den Aufbaujahren der kommunistischen Volksrepublik, springt in die Jahre des wilden Kapitalismus nach 1989 und endet in einer Gegenwart, für die Epochenbegriffe erst noch zu finden sind. All dies wird rekonstruiert, erforscht und ans Licht gebracht von Kalina Serce, der einzigen Tochter von Violetta („mit V und einem Doppel-t“, wie die Mutter stets zu betonen pflegte). Diese wiederum ist die Tochter von Barbara oder Bunia, die ihrerseits als Waisenkind heranwuchs, weil ihre Mutter Berta …

Nun, über die Gründe von Bertas und später auch Barbaras jahrelanger Abwesenheit von ihren Familien muss hier geschwiegen werden. Sie führen unmittelbar ins finstere Herz des familiären Verhängnisses. Beschränken wir uns auf den Hinweis, dass Fleischverarbeitung eine wichtige Rolle spielt. Wenn am Ende des Romans ein Rezept für das schlesische Traditionsgericht „Häckerle“ mitgegeben wird, deutet das auf die Relevanz dieses Motivs im Romangeschehen.

Unweit von Wałbrzych, im einst weltberühmten Heilbad Sokołowsko oder Görbersdorf (wo übrigens auch „Empusion“, der aktuelle Roman von Bators Landsfrau, der Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, angesiedelt ist), hat die Erzählerin, Kalina, eben erst ein Haus erworben. Es gehörte früher einem weithin bekannten Hellseher und Heiler, auf dessen Weissagungen ihre Vorfahrinnen großen Wert legten. Für das Wirken magischer Kräfte waren sie überaus empfänglich. Die Urenkelin will nun die Wahrheit hinter den Familienmythen zutage fördern, wofür sie eigens einen Privatdetektiv engagiert hat, selbst umfangreiche Archivrecherchen betreibt und Interviews mit Zeuginnen führt.

Kalina ist keine Figur wie die Frauen vorangegangener Generationen, sie ist deren Chronistin und Interpretin. Aus ihr spricht die Autorin, was die Figur einerseits empirisch unglaubwürdig werden lässt, sie andererseits aber mit sprachlichen und darstellerischen Kräften ausstattet, über die nur Bator selbst gebietet. Dieser Roman ist nämlich glänzend geschrieben (und übersetzt), voller Witz und Verve, reich an Sarkasmus und Spott, viel zu gekonnt also, als dass die eher unbedarfte Kalina ihn verfasst haben könnte. Aber so ist der Roman angelegt: Mit Kalina, der Jüngsten, soll das matrilineare Unglück endlich ein Ende finden, und zwar durch die entschlossene erzählerische Aufarbeitung der Vergangenheit.

Die Männer kommen, wenig überraschend für Bator-Kenner, nicht gut weg und auch nur am Rande vor. Es hat sie zwar wirklich gegeben, mitunter fanden sich unter ihnen sogar passable Liebhaber und nette Kerle, aber die meisten waren unberechenbar und gewalttätig, gleich ob als Väter oder als Ehemänner, wofür einige von ihnen die gerechte Strafe empfangen haben. „Die Geschichte meiner Familie“, resümiert Kalina, „ist durchsetzt mit männerförmigen Löchern.“ Die weibliche Erzählperspektive ist schon deshalb die einzig mögliche, weil die Männer kaum Spuren hinterlassen haben, was wiederum auch mit dem ausgeprägten Ordnungssinn der Frauen aus der Familie Serce zu tun hat.

Aber auch wenn sie vor allem als Löcher gegenwärtig sind, bleiben einige allzu starke und zornige Männerfiguren markant in Erinnerung, allen voran der deutsch-schlesische Metzger Hans Koch, Bertas Vater, „der leidenschaftliche Wurstmacher aus Langwaltersdorf“. In seiner Figur gelingt Bator ein Wunderwerk drastisch-plastischer Sinnlichkeit – man muss schon tief in die schlesische Wurstküche hineingeschaut haben, um derartig anschaulich von ihr zu erzählen. Die gut 800 Seiten dieses Romans mögen einem vor lauter deftiger Anschaulichkeit und sinnlichem Detail bisweilen zu viel werden, die Lektüre lohnen sie aber in jedem Fall.

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