Der Absprung

Roman | Vom Wunsch, aus der Welt zu verschwinden
141 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518431979
Erscheinungsdatum 22.09.2024
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
Übersetzung Olga Radetzkaja
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags



Wie schreiben, wenn die Wörter im Mund zerfallen? Was tun, wenn das eigene Land nur noch für Tod und Zerstörung steht?


Die Schriftstellerin M., seit einigen Monaten im europäischen Exil, bricht ins Nachbarland auf – ein Festival hat sie zu Lesungen eingeladen. Die Reise ist voller Pannen: der vorgesehene Anschlusszug existiert nicht, das Ladekabel des Telefons geht verloren. Auf dem Grenzbahnhof in F. wartet niemand, der Kontakt zu den Veranstaltern ist abgebrochen.


Die Lage erfüllt sie mit Erleichterung. M. durchstreift die Stadt, und was ihr begegnet, sind lauter Freiheitsversprechen: ein Escape Room, ein Wanderzirkus, eine flüchtige Bekanntschaft – und am Ende die langersehnte Chance, ihre Identität loszuwerden und zu verschwinden. Aber kann das gelingen?



Die Geschichte spielt im Sommer 2023: Russlands Krieg gegen die Ukraine endet nicht. Metaphern und Anspielungen, von Thomas Hobbes bis Paul Bowles, durchziehen Stepanovas fesselnde, an Wahrnehmungen und Gedanken reiche Prosa. Hat sie, die Nabokov-Leserin, eine Einladung zur Selbst-Enthauptung geschrieben? Es bleibt an uns, den Leserinnen, ob wir ihren »Absprung« als Akt der Befreiung oder der Verneinung verstehen wollen.


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ISBN 9783518431979
Erscheinungsdatum 22.09.2024
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FALTER-Rezension

Fremde im Zug und im Zirkus

Erich Klein in FALTER 42/2024 vom 18.10.2024 (S. 12)

Eigentlich sollte es für die russische, in B. lebende Schriftstellerin M. eine normale Fahrt zu einer Lesung in F. werden. Als der Anschlusszug beim Umsteigen gecancelt wird und sich das Taxi, das die Autorin zum vereinbarten Leseort bringen sollte, als das falsche erweist, beginnt die eigentliche Reise.

Maria Stepanova, 1972 in Moskau geboren und heute in Berlin lebend, avancierte mit dem Roman „Nach dem Gedächtnis“ (2018) und bislang drei ebenfalls bei Suhrkamp erschienenen Gedichtbänden zur bekanntesten russischen Autorin der mittleren Generation. In ihrem aktuellen Kurzroman „Der Absprung“ inszeniert die Lyrikerin ein Spiegelspiel der besonderen Art. Statt modischer Autofiktion stellt sie über die handelsübliche Nabelschau hinausgehende große Fragen und vergisst dabei weder ihr Interesse an der Umgebung noch schwungvolles Erzählen. Im Original heißt das soeben auch in Moskau erschienene Buch „Fokus“.

Am Anfang steht der Überfall Russlands auf die Ukraine: „Im Sommer 2023 wuchs das Gras weiter, als wäre nichts geschehen: es wuchs, als ginge es gar nicht anders, wie um ein weiteres Mal zu zeigen, dass es an seiner Absicht festhielt, aus der Erde zu sprießen, ganz egal, wie viel auf deren Oberfläche gemordet wurde.“

In dergleichen lakonisch-apokalyptischer Gestimmtheit bricht M. frühmorgens zum Bahnhof auf, wo sie von einem Obdachlosen angeherrscht wird: „Kauf mir etwas zum Essen!“ Schuldbewusst tut sie das, beim zweiten Schnorrer verfliegt alle Empathie, ihr Kaffee bleibt stehen. Ein Schauer an Gedankensplittern zu Wokeness, Klimakatastrophe und zum Literaturbetrieb (Buchpräsentationen als „Brautschau“) treibt durch die Erzählung.

Selten wurde das Verhalten von Zugreisenden mit sämtlichen Spielarten des Einander-Ignorierens besser beschrieben. Ohnedies ist M. mit ihren Gedanken beschäftigt. Über den Krieg, wie es dazu kam, wie das Klima in Russland peu à peu verpestet wurde, bis der Leviathan seine Fratze zeigte. Über ihre Landsleute und deren Hilflosigkeit angesichts des Kriegsputinismus heißt es harsch: „Sie sind vertiert.“ Und da ist M.s Unbehagen, noch immer in der Sprache der Mörder zu denken. Sollte sie überhaupt aufhören zu schreiben?

Die Selbstbefragung in quasi essayistischer Form führt nahtlos in die Erzählung zurück: M. verlässt genervt den Zug, das Avocadosandwich reist allein im Gepäcknetz weiter. Bei einem Türken kommt sie endlich zu ihrem Kaffee, vergisst aber das Ladekabel ihres Handys. Die Verbindung zur Welt reißt ab: „Sie gehörte nicht mehr dazu, existierte nicht mehr – niemand wusste, wo sie steckte und was mit ihr los war, niemand konnte sie herbeizitieren und zur Ordnung rufen.“

Bei der Weiterfahrt im Regionalzug fällt ihr, nicht zum ersten Mal, ein Mann mit Zopf auf, von dem sie sich nach einigen slapstickartigen Wendungen zum gemeinsamen Besuch eines Escape Room einladen lässt. Selten wurde bei Betonung der Abwesenheit aller Erotik derart prickelnd über die Begegnung zweier Fremder geschrieben!

Der Höhepunkt der Erzählung ereignet sich im Zirkus, dem sich die auf Abwegen befindliche M. für eine Abend lang anschließt – Partizipation an einer Zauberschau inklusive. Stepanova meistert das literarische eher abgedroschene Terrain Zirkus auf souveräne Weise. Der Blick hinter die Manege ist auch einer hinter die Fassade der Erzählung, deren Ende offen bleibt wie in Michelangelo Antonionis „Blow Up“.

Über weite Strecken liest sich „Der Absprung“ wie die Beschreibung einer Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, am Ende erweist sich die Verfasserin als Enkelin von Kafka. Und: Die Lyrikerin Maria Stepanova schafft, wenn schon nicht den Absprung, so doch den Genrewechsel zur Prosa. Was bekanntlich nicht jedem Dichter gelungen ist.

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