

Ein Buch zum 200. von Henry David Thoreau
Sebastian Fasthuber in FALTER 28/2017 vom 14.07.2017 (S. 28)
Ich ging in die Wälder, weil ich mit Bedacht leben wollte, die Grundtatsachen des Lebens in den Blick nehmen und sehen, ob ich lernen könnte, was es zu lehren hatte, um nicht, wenn ich ans Ende käme, feststellen zu müssen, dass ich nicht gelebt hatte. (…) Ich wollte in vollen Zügen leben, dem Leben das Mark aussaugen, so solide und spartanisch leben, dass alles, was nicht Leben wäre, hinweggefegt würde (…).“
Zwei Jahre, zwei Monate und zwei Tage verbrachte Henry David Thoreau (1817–1862) in einer selbstgezimmerten Hütte am Ufer des Waldensees, unweit seines Heimatortes Concord, Massachusetts. Er baute sein eigenes Gemüse an, las viel, dachte nach, erkundete seine inneren Regungen sowie die Umgebung seines Geburtsortes, in dem er schließlich auch sterben sollte, aufs Genaueste.
Es wirkt auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich, wenn er schreibt, er „wollte in vollen Zügen leben“, und gleich darauf, er wolle „solide und spartanisch leben“. Genau darin aber liegt ein Grundsatz seines Denkens und Handelns: Nur wer sein Leben auf das Notwendigste beschränkt, lebt wirklich. Ganz Eremit war der große amerikanische Autor, Individualist und Ökopionier indes nicht, wie Frank Schäfer in seiner informativen und darüber hinaus sehr angenehm lesbaren Biografie „Waldgänger und Rebell“ berichtet.
Thoreau empfing regelmäßig Besuch – etwa von seinem Freund und Förderer Ralph Waldo Emerson –, und am Sonntag brachte seine Mutter sogar Fresspakete. Wenn das Geld knapp wurde, war sich der Autor von „Walden oder Leben in den Wäldern“ aber auch nicht zu schade, sich als Tagelöhner oder Landvermesser zu verdingen.
Was Generationen von Aussteigern an ihm fasziniert, ist sein Ideal der Lebensführung. Bereits als 20-Jähriger führte er es in seiner Abschlussrede in Harvard aus: Man solle die Ordnung umkehren und nur den siebten Tag der Lohnarbeit widmen. Die anderen sechs sollen dazu dienen, „den allumfassenden Garten zu durchstreifen und die sanften Einflüsse und höheren Offenbarungen der Natur einzusaugen“.