Rigorismus der Wahrheit

»Moses der Ägypter« und weitere Texte zu Freud und Arendt
134 Seiten, Taschenbuch
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Reihe Graue Reihe
ISBN 9783518586167
Erscheinungsdatum 08.02.2015
Genre Philosophie/20., 21. Jahrhundert
Verlag Suhrkamp
Kommentiert von Ahlrich Meyer
Nachwort von Ahlrich Meyer
Herausgegeben von Ahlrich Meyer
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag AG
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

»Moses der Ägypter« ist ein Text von Hans Blumenberg, in dem dieser sich mit zwei prägenden Figuren der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts beschäftigt: Sigmund Freud und Hannah Arendt. Entstanden Ende der 1980er Jahre, aufbewahrt in der Mappe »Unerlaubte Fragmente«, gehört er zu den vielleicht spektakulärsten Stücken aus dem Nachlass des Philosophen.

Blumenberg setzt ein mit Freuds im Jahr 1939 publiziertem Alterswerk Der Mann Moses und die monotheistische Religion, das er als dessen »große und letzte Kränkung der Menschheit in Gestalt ihrer Leidendsten« bezeichnet, und geht dann über zu einer an Schärfe kaum zu überbietenden Auseinandersetzung mit Arendt und ihrem Buch Eichmann in Jerusalem. Sowohl bei Freud als auch bei Arendt sieht Blumenberg einen Rigorismus am Werk, der im Namen der Wahrheit auftritt, aber in Rücksichtslosigkeit umschlägt, weil er blind macht für das Politische und taub für das Unfassliche.

»Wie Freud den Mann Moses seinem Volk genommen hatte, nimmt Hannah Arendt Adolf Eichmann dem Staat Israel« – so lautet eine der vielen bemerkenswerten Schlussfolgerungen in diesem dichten Text, der auch etwas von Blumenbergs Haltung zum Judentum und zum Zionismus preisgibt. »Moses der Ägypter« wird hier erstmals vollständig publiziert – versehen mit Kommentaren des Herausgebers und ergänzt um weitere Texte aus dem Nachlass zu diesem Themenfeld.

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ISBN 9783518586167
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FALTER-Rezension

Moses und Eichmann. Oder: Ist die Wahrheit rigoros?

Thomas Leitner in FALTER 11/2015 vom 13.03.2015 (S. 45)

Philosophie: Der Suhrkamp Verlag macht sich um die Edition des Philosophen Hans Blumenberg verdient

Die Hauptwerke des Philosophen Hans Blumenberg (1920–1996) "Arbeit am Mythos" (1979) und "Die Legitimität der Neuzeit" (1966) flößen aufgrund ihres Umfangs, ihrer Dichte und ihres Anspruchs auch heute noch Bewunderung ein, wecken aber auch ein gewisse Schwellenangst.

Dem arbeitet sein Verlagshaus Suhrkamp entgegen, indem es kürzere Texte aus dem Nachlass oder ein Glossar mit dem Titel "Blumenberg lesen" ediert, erschienen im Dezember 2014 zusammen mit dem Sammelband "Goethe zum Beispiel", der Blumenbergs Texte zum deutschen Klassiker schlechthin vereint.
Bereits zwei Monate später legt der Verlag mit einem schmalen Band bisher unveröffentlichter Texte zu Sigmund Freud und Hannah Arendt unter dem Titel "Rigorismus der Wahrheit" nach. Die editorische Akribie, die man den nur zwölf Seiten Originaltext durch Kommentar, Materialien und Nachwort angedeihen ließ, hätte auch die faszinierenden, manchmal etwas enigmatischen Gedankensplitter Blumenbergs zu Goethe zu einem zwar etwas voluminöseren, aber umso reizvolleren Kompendium gemacht.
Bei "Rigorismus der Wahrheit" entstand aus zwölf Seiten Originaltext durch Kommentar, Materialien und Nachwort ein immer noch schmaler, aber inhaltlich gewichtiger Band. Blumenberg feilte von 1971 bis 1983 an diesem Aufsatz, wohl auch, weil er sich seines Skandalpotenzials bewusst war, stellt er doch zwei Texte einander gegenüber, die jeder für sich schon nachhaltig provozieren.
Sigmund Freuds letzte zu Lebzeiten veröffentlichte Schrift "Der Mann Moses und die monotheistische Religion" fügte den "drei großen Kränkungen der Neuzeit" – nach Kopernikus war die Erde nicht mehr der Mittelpunkt des Universums, nach Darwin der Mensch nicht mehr Krone der Schöpfung und nach Freuds eigener Einführung des Unbewussten das menschliche Bewusstsein nicht mehr uneingeschränkt Herr im eigenen Haus – eine vierte hinzu und beraubte die jüdisch-christliche Kultur ihres Gründervaters Moses.
Moses wird darin als ägyptischer Prinz dargestellt, der den Juden den Eingottglauben des Pharaos Echnaton verkündete und sie aus der Knechtschaft in die Wüste führte. Dort erschlug ihn das durch den Rigorismus seiner Gebote gequälte jüdische Volk und wiederholte so den Vatermord, den Freud in "Totem und Tabu" (1913) am Beginn der Zivilisation postulierte. Freud publizierte den Aufsatz wohlweislich nicht im klerikalen Österreich, sondern erst in der Emigration 1939 in London.
Diesem Skandalon stellt Blumenberg Hannah Arendts "Eichmann in Jerusalem" von 1963 gegenüber, den Bericht der jüdischen Philosophin über den Prozess gegen den SS-Obersturmbannführer und Leiter der Organisation und Vertreibung der Juden aus Deutschland Adolf Eichmann 1961 in Jerusalem, an dessen Ende ein Todesurteil stand. Wegen Ahrendts kritischer Sicht auf die Tätigkeit der Judenräte in Lagern und Ghettos, ihren Zweifeln an der Zuständigkeit des Gerichtes in Jerusalem, vor allem aber wegen ihres Diktums von der Banalität des Bösen gehört dieses Buch zu den am kontroversiellsten diskutierten Texten der Zeitgeschichte. Indem Ahrendt Eichmann als "Hanswurst" anspricht, beraubt sie das Todesurteil seiner mythischen Funktion.

Wie Freud seinem Volk, den Juden, den Gründervater Moses genommen hat, beraubt Ahrendt Israel seiner negativen Gründungsfigur Eichmann. Aber ihr unterlaufen dabei methodische Inkonsequenzen, meint Blumenberg, weil sie soziologische, juristische und mythengeschichtliche Aspekte vermengt. Nur Freud selbst, wäre er noch am Leben gewesen, hätte auf den ersten Blick "die mythische Dimension der Tötung des negativen Staatshelden" erkannt.
Vielleicht war es Blumenbergs Bestürzung über die "tiefliegenden Gemeinsamkeiten" zwischen den beiden Texten, die ihn daran hinderte, seine Reflexionen zu Lebzeiten zu veröffentlichen. Der Verdienst des ehemaligen Blumenberg-Assistenten und Herausgebers dieses schmalen Bandes, Ahlrich Meyers, liegt darin, in brillanter Weise Genese und Architektur dieser intellektuellen Provokation freigelegt zu haben.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

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