Puer robustus

Eine Philosophie des Störenfrieds
715 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518586907
Erscheinungsdatum 10.10.2016
Genre Philosophie/20., 21. Jahrhundert
Verlag Suhrkamp
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
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Kurzbeschreibung des Verlags

Dieses Buch verhilft einem in Vergessenheit geratenen Störenfried – vielleicht dem Störenfried par excellence – zu einem großen Comeback: dem puer robustus, dem kräftigen Knaben, der auf eigene Faust handelt, sich nicht an die Regeln hält, der aneckt, aufbegehrt und auch mal zuschlägt. Als Unhold oder Held, Schreck- oder Leitbild hatte er über drei Jahrhunderte hinweg die Gemüter großer Dichter und Denker erhitzt. Hobbes und Rousseau, Schiller und Hugo, Diderot und Tocqueville, Marx, Freud, Carl Schmitt und viele andere sahen in ihm sogar eine Schlüsselfigur, an der sich ein Zentralproblem der politischen Philosophie entscheidet: das Verhältnis von Ordnung und Störung.
Auch heute steht die Zukunft der modernen Gesellschaft auf dem Spiel. Und nach wie vor entscheidet sie sich nicht im Zentrum der Macht, sondern an den Rändern, wo die Krisen ausgefochten werden. Dort – an der Schwelle zur Ordnung – tummeln sich Trittbrettfahrer und Quertreiber, Eigenbrötler und Rebellen, und hinter ihnen allen steckt der puer robustus. Höchste Zeit also, ihn mit Dieter Thomä wiederzuentdecken, der in seiner fabelhaften philosophischen Abenteuergeschichte zeigt, was von diesem Kerl zu halten ist.

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FALTER-Rezension

Kräftiger Kerl mit kindischem Geist

Florian Baranyi in FALTER 41/2016 vom 14.10.2016 (S. 48)

Kulturgeschichte: Dieter Thomä schreibt eine Geschichte des politischen Abweichlers – ein großer Wurf

Thomas Hobbes hat ein illegitimes Kind: den Puer robustus. Der deutsche Philosoph Dieter Thomä macht sich in seinem gleichnamigen Buch, untertitelt als „Eine Philosophie des Störenfrieds“, zum Biografen dieses ewigen Kindes.
Eigentlich will er für diesen Störenfried, der in Hobbes Werk „De cive“ (1642) als kräftiger Kerl mit kindischem Geist – also als vitale und unvernünftige Bedrohung – erstmals erscheint, noch mehr sein. Thomä hat sich nämlich vorgenommen, eine philosophische Abenteuergeschichte über ihn zu schreiben.
Nun sind philosophische Abenteuer keine Veranstaltungen, bei denen Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Vielmehr gleichen sie langen Spaziergängen, bei denen es um ein gemäßigtes Tempo und einen weit schweifenden Blick geht. Und Thomäs Blick schweift weit – von 1642 bis 2016. Schließlich will er beweisen, wie widerborstig und wichtig dieser Knabe ist.
Dabei findet er den Puer robustus bei Rousseau, Diderot, Schiller, Wagner, Hugo, Tocqueville, Marx und Engels, Freud und weiter bis ins 20. Jahrhundert wieder, immer als Zeuge für die Rezeption seines Vaters Hobbes.

Der Puer robustus oszilliert dabei zwischen seinen beiden Polen als schlechter (Hobbes) oder guter (Rousseau) Mensch und tritt uns in der Gestalt von Schillers Franz und Karl Moor, Victor Hugos Quasimodo oder Wagners Siegfried entgegen. Ständig springt er zwischen Kunst und politischer Philosophie hin und her, begegnet uns als Gassenjunge bei Balzac oder als böser Lumpenproletarier oder guter Proletarier bei Marx und Engels.
Für das 20. Jahrhundert konzentriert sich Thomä auf die Hobbes-Rezeption im Deutschland der 1930er- und 1940er-Jahre und die kommunistisch-maoistische Geschichte des Puer robustus, die in einer Abrechnung mit Alain Badiou mündet, da die von diesem „gefeierte Freisetzung des revolutionären Subjekts“ nach Meinung von Thomä bloß in „gewalttätiger Willkür endet“. Auch Abenteuerschriftsteller brauchen offenbar Feinde.
Für die Gegenwart konstatiert Thomä viele voneinander abweichende Formen von Störenfrieden: „Sie geraten in Streit miteinander und legen sich zugleich auf je eigene Weise mit der politischen Ordnung an.“ Der egozentrische Störenfried taucht dabei als Finanzjongleur in der Krise 2008 auf. Die beiden Typen des exzentrischen und nomozentrischen Störenfrieds treten zusammen in Protestbewegungen (Occupy Wall Street) oder in Form von Whistleblowern (Edward Snowden) auf.

Der egozentrische Störenfried ist dabei Agent seines eigenen Interesses und Wohlergehens, für das er die politische Ordnung aufs Spiel setzt. Der exzentrische Störenfried pfeift auf sich selbst und die politische Ordnung, und der nomozentrische Störenfried versteht sich als Bote einer neuen zukünftigen Ordnung. Der massive Störenfried schließlich versucht sich voll und ganz einer Sache zu ergeben und in deren Dienst die politische Ordnung zu durchkreuzen.
So nachvollziehbar und einleuchtend sich die Geschichte des Störenfriedes liest, so schwer zu fassen ist seine Gegenwart. Thomä argumentiert ja nie von Individuen aus, vielmehr bezieht er sich auf Leerstellen in politischen Ordnungen. Wenn er allerdings den massiven Störenfried am Beispiel des algerischen Attentäters Khaled Kelkal beschreibt, wird die Funktion nachvollziehbar, die dieser im Verhältnis zur westlichen Demokratie einnimmt.
Die Psychologie von Kelkal, der 1995 Protagonist einer islamistischen Terrorwelle in Frankreich war, ist über die Philosophie des Störenfriedes nicht erschließbar. Daran (und generell am eher gedrängten Versuch, den Puer robustus in der unmittelbaren Gegenwart zu konkretisieren) sollte man Thomäs große Studie aber nicht messen.
Viel gewichtiger sind seine Qualitäten als Denkender und Schreibender: Thomä rekonstruiert die Begrifflichkeiten des jeweiligen Autors minutiös – und widersteht fast durchgängig der Versuchung, diese mit eigenen zu übertünchen. Dadurch umgeht er jede Einebnung, jede Form von Analyse, die ihr Ergebnis schon vor der Untersuchung kennt und durchsetzt.

Thomäs großer Kunstgriff besteht darin, die Grenzen und blinden Flecken aller besprochenen politisch-philosophischen Theorien aufzufinden. Am Rand der jeweils definierten Gemeinschaft verortet er das „Schwellenwesen“ Puer robustus, kein Ausgeschlossener, aber ein Grenzgänger.
Dieser Störenfried, der puer robustus von Hobbes, ändert so seine Gestalt, aber nie seinen Namen. Thomäs Philosophie des Störenfrieds schafft ein Gefühl von Totalität: ein Gedankengebäude, das auf festem Fundament gebaut ist, in sich geschlossen, aber mit vielen offenen Türen und Fenstern. Im Erdgeschoß wohnt Hobbes, und in jedem Stock gibt es eine Schwelle, auf der ein anderer Puer robustus sitzt. Verweise zwischen den Kapiteln machen das Buch zum statischen Meisterwerk – kein Steinchen könnte man herauslösen, jeder einzelne Punkt ist tragend.
Das liegt zum Teil an Thomäs klarer Prosa – im Metier der politischen Philosophie eine Tugend. Seine größte Leistung ist aber die innehaltende und konzise dargelegte Differenzierung von Forschungspositionen. Hier wird nach Argumenten geschürft, sie werden in Ruhe freigelegt, sortiert und gegeneinander abgewogen.

Die immer kompakt bleibende Figur des Störenfriedes ermöglicht es Thomä etwa, in die Diskussion des italienischen Kommunisten Palmiro Togliatti auf verständliche Weise Kierkegaard und Heine einzuflechten.
Mit unprätentiöser Gelehrsamkeit bleibt Thomä über 700 Seiten auf sein Thema bezogen und legt eine faszinierende Geschichte der politischen Philosophie nach Thomas Hobbes und zugleich eine Theorie des politischen Abweichlers vor. Ein großer Wurf!

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