

Andreas Kremla in FALTER 37/2019 vom 13.09.2019 (S. 39)
Jedes Ich gehört zu vielen Wirs. Wir Menschen, wir Männer, wir Weiße, wir Österreicher, wir Buchrezensenten, wir können uns mit kreisrunden Wir-Identitäten wie beim Kekse-Ausstechen immer weiter definieren, bis ein unverwechselbares Individuum übrig bleibt. Mit kühler Analyse versach-
licht Tristan Garcia viel der Ver-Wirung, die zuletzt an emotionaler Fahrt aufgenommen hat: von religiösen „Verheißungen“ bis zu den harten Gruppenidentitäten von Rassisten.
Geschult in logischem Denken und klarem Ausdruck zerlegt der Philosoph und Romanautor die Identitätsbildung in ihre Grundbestandteile, setzt sie neu zusammen und überlässt dem Leser ein rationaleres Konstrukt, das ihn weiter begleiten soll. Auf einer abstrakten Ebene funktioniert das wunderbar. Wie vieles, das französische Philosophen seit Derrida und Lacan gedacht haben, ist die reine Erkenntnis aber nicht leicht in den Alltag zu integrieren.