Tiere

Roman | Ein gewaltiger Roman über die Flucht vor der eigenen Herkunft und die Umschreibung der Geschichte
448 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783550202636
Erscheinungsdatum 29.02.2024
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Ullstein Buchverlage
Übersetzung Ruth Löbner
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Ullstein Buchverlage GmbH
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Kurzbeschreibung des Verlags



»Es gibt Bücher, an denen kommt man einfach nicht vorbei. Tiere ist so ein Debütroman. Einschüchternd gut.« PaagMag


Am Rand eines abgelegenen Dorfes im Achterhoek liegt der Bauernhof der Familie Keller, vom Dorf gleichermaßen gefürchtet wie verachtet. Landwirtschaft wird hier schon lange nicht mehr betrieben, Tiere gibt es trotzdem: die illegale Nerzzucht des Großonkels. Auch als Isa längst den Hof verlassen hat und zum Studieren in die Stadt gegangen ist, verfolgt sie das Fiepen der Tiere noch bis in den Schlaf. Dann holt sie ein Anruf zurück ins Dorf: Ihr Vater ist verschwunden. Die Suche nach ihm wird zu einer Suche nach ihrer eigenen Identität. Und nach der Wahrheit über ihre Familie.



»Wer weiß nun in Wahrheit, was die Wahrheit ist: derjenige, der bis über beide Ohren in seinem eigenen Leben drinsteckt oder die Gemeinschaft, die aus der Distanz den Überblick über das Ganze hat, die sehen kann, dass man, obwohl man selber verdammt genau weiß, dass man keine Flöhe hat, auf irgendeine Art eben doch Flöhe hat.«



»


Tiere

hat alles, was ein gutes Rennen ausmacht: Schnelligkeit, gefährliche Kurven und ein fiebriges Finale. Die Geschichte ist rasant und dunkel, aber stets durchdrungen von der Zärtlichkeit für die Figuren.«

Daniel Schulz




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ISBN 9783550202636
Erscheinungsdatum 29.02.2024
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FALTER-Rezension

Der größte Berserker unter den Verwandten

Susanne Schaber in FALTER 12/2024 vom 20.03.2024 (S. 20)

Die Niederländer wollen raus, wie es scheint. Raus aus den vier Wänden und den Diskussionen über die eigene Befindlichkeit und hinein in jene Welten, wo wirkliche Abenteuer warten. Um dann wieder heimzukehren und die Exotik direkt vor der Haustüre zu entdecken. Sie unternehmen literarische Reisen voller Drastik und mit hintersinniger Poesie.

Heuer sind sie zu Gast auf der Leipziger Buchmesse. Unter jenen Autoren, die sich besonders exponieren, ist Gijs Wilbrink mit seinem Roman „Tiere“. Der Stall, in dem sie als wertlose Kreaturen gequält werden, steht im Osten Hollands, etwas außerhalb einer Siedlung. Von hier aus terrorisiert Familie Keller die Dorfbewohner und hält sie in einer Geiselhaft des Schreckens fest.

Isa wird in den „SchauerClan“ hineingeboren. Die Mutter ist eine vom Schicksal gebrochene Frau, der Vater der „Kettenhund“ seiner Onkel, emotionale Dickhäuter ohne Mitleid und Gewissen.

Mit 18 ist Isa gerade dabei, die Fesseln ihrer Herkunft zu sprengen, als sie ein Anruf erreicht: Ihr Vater sei verschwunden. Weit, so meint man, könne er nicht gekommen sein, ein kraftloser Mann mit Beinprothese. Und so stürzt Isa, selbst in den Fängen von Alkohol und Drogen gestrandet, neuerlich in den unheilsamen Familienkosmos ab.

Wilbrinks Roman breitet ein paar wenige Tage im Leben der jungen Frau vor uns aus. Mit jeder Stunde gerät Isa tiefer hinein in einen Strudel abgründiger Geheimnisse („Och Gott, nun erbarm dich doch mal“). Bis zu jener Nacht, da sie den größten Berserker unter den Verwandten in die Hölle schickt.

Gijs Wilbrink, in seiner Heimat auch als Musiker und Podcaster geschätzt, lässt seinen Erstling mit erzählerischer Wucht in eine bizarr-wahrhaftige Familien- und Dorfgeschichte hineinrasen. Er porträtiert Isas Identitätsfindung aus mehreren Perspektiven, die leichthändig ineinander verzahnt sind, und wirft uns ein wildes, ungebändigtes Stück Literatur vor die Füße.

Der Roman begeistert mit seiner präzisen und zugleich ungestüm überbordenden Sprache, die Ruth Löbner souverän ins Deutsche übertragen hat: ein Findling, grob, ungeschliffen und doch zart. Es ist gar nicht so leicht, sich im Schatten von Gijs Wilbrink zu behaupten, der den niederländischen Bücherfrühling wohl dominieren wird.

Wytske Versteeg versucht es dennoch. Ihr Roman über „Die goldene Stunde“, eine Konfrontation mit der europäischen ­Flüchtlings- und Asylpolitik, präsentiert sich als poetisch überhöhtes, fein ziseliertes Kunstwerk voller Bilder und Metaphern. Eines gleich vorweg: Diese Form der Überästhetisierung tut dem Thema nicht unbedingt gut.

Das Haus, in dem Ahmad gewohnt hat, ist vom Krieg zerstört. Nichts mehr da, von seiner früheren Existenz, allein der Schlüssel: „Ich habe noch immer unseren Hausschlüssel in der Hosentasche. Einen Schlüssel, dessen Schloss längst verloren ist.“ Um sich zu beruhigen, presst er die Finger gegen dessen scharf gezackten Bart: Heimweh und Schmerz.

Ahmad ist eine von drei sehr unterschiedlich geprägten und sozialisierten Figuren, deren Biografien Wytske Versteeg miteinander verschränkt. Das Trio führt vor, wie wenig wir letztlich wissen über Recht, Unrecht und den Graubereich dazwischen. Alle drei sind auf der Flucht, vor sich oder der Verfolgung.

Gerade erst in den Niederlanden angekommen, trägt Ahmad schwer an seinen Erinnerungen: an die Repressionen in einem Staat, der demokratische Bewegungen mit Füßen tritt, die gefährliche Passage über das Mittelmeer und das Warten in Lagern, wo er unter inhumanen Bedingungen um eine Aufenthaltserlaubnis in der Fremde bangt.

Er trifft auf die sozial engagierte Mari und wird zum Ziel ihrer zwanghaften Ambitionen, ihm unter die Arme zu greifen. Sie bietet ihm einem Platz in ihrer Wohnung und die Wärme ihres Bettes, löchert ihn aber auch mit Fragen nach seinen traumatischen Erfahrungen, die sich nicht einfach in Erzählungen fassen und auflösen lassen.

Als Ahmad schließlich abhaut, ist Mari derart irritiert über das Zurückgestoßen-Werden, dass sie sich aufmacht, die Heimat des verschwundenen Geliebten kennenzulernen. Dort begegnet sie Tarik, einem Soldaten und ehemaligen Aufseher in einem gefürchteten Gefängnis für politische Häftlinge.

Er hat sich in eine Grenzregion in den Bergen zurückgezogen, gepeinigt von seinen Albträumen von Folterungen und Gewaltexzessen. Tarik wird zu Maris Guide und bringt ihr Ahmads Notizen, eine Art Abschiedsgeschenk, näher.

Wer ist Täter, wer Opfer? Und wie viel Schuld laden jene auf sich, die sich in ihren Rollen als Altruisten eingerichtet haben, weil sie glauben, an der Rettung eines Menschen oder gleich der ganzen Menschheit teilhaben zu können? Derlei spannende und auch heikle Sujets umkreist der Band, den Christiane Burkhardt stimmig ins Deutsche übertragen hat, aus mehreren Blickwinkeln.

„Vermutlich sollte ich dir dankbar sein“, wie es Ahmad ausdrückt, „aber es gibt keine Dankbarkeit ohne Hass.“ Wytske Versteeg hat sich einer klaren Order verschrieben, man spürt es schnell. Das Anprangern jener Arroganz, mit der wir uns fremde Erfahrungen anzueignen suchen, die Meere und Ozeane von uns entfernt liegen, wird jedoch zu einer literarisch ziemlich forcierten Mission.

Verglichen mit den Büchern seiner um etliches jüngeren Kollegenschaft wirkt Gerbrand Bakkers neuer Roman so abgeklärt wie das Werk eines alten Meisters. 2023 wurde dem 62-Jährigen der Orden von Oranien-Nassau für seine Verdienste um Gesellschaft und Gemeinwesen verliehen. Auszeichnungen wie diese scheinen ihn wenig zu beeindrucken, er zieht unbeirrt auf seinem Weg weiter.

Gut zehn Jahre lang hat er Essays und autobiografische Bücher veröffentlicht, aber keinen Roman, zum Bedauern von Verlag und Fans. Nun zeigt er sich in „Der Sohn des Friseurs“ in Hochform, sein Übersetzer Andreas Ecke steht ihm virtuos zur Seite.

Simon ist einer jener unauffälligen Helden, wie Bakker sie seit jeher favorisiert: Mitte 40, Friseur wie seine Vorfahren, in sich gekehrt. Simon in Kurzform: „Schneiden und rasieren, essen und trinken, schwimmen. Toter, unbekannter Vater, leicht hysterische Mutter. Nie einen festen Freund gehabt.“

Der Ton, in dem Bakker die Handlung vor uns ausrollt, ist ähnlich reduziert wie der Alltag seiner Romanfigur. Erst als ihn seine Mutter bittet, sie für ein paar Wochen in die öffentliche Badeanstalt zu begleiten, wo sie eine Gruppe geistig behinderter Jugendlicher betreut, gerät sein sorgfältig durchgetaktetes Leben aus den Fugen.

Er verliebt sich in einen der Burschen und bemerkt, wie ihn das Begehren emotional aus der Bahn wirft. Zugleich gibt er dem Drängen eines Kunden nach, der sich als Schriftsteller auf der Jagd nach einem passenden Stoff entpuppt. Das Verschwinden von Simons Vater, dessen Überreste nach einem Flugzeugunglück auf Teneriffa nie identifiziert wurden, inspiriert ihn.

Seine Fragen zu Details treffen den Sohn ins Mark. Er stellt eigene Nachforschungen an und dringt ins Herz der Familiengeheimnisse vor. Bakkers Roman, der lakonisch daherkommt und in seinem Erzählduktus kaum je über die Stränge schlägt, entwickelt eine subversive Dramatik.

Er führt uns ordentlich aufs Glatteis. Was ist Realität und was Fiktion? Wer war tatsächlich an Bord der Maschine? Und wer ist untergetaucht in einem vollends anderen Dasein? Bakker hält manches in Schwebe, unangestrengt und mit großer Leichtigkeit.

Das Nachdenken über die Magie des Schreibens ist der Basso continuo eines Romans, der auf ein furioses Finale zuläuft. „Darauf kann man sich immer berufen“, wie es einmal wie nebenher heißt: „Es wird nichts gesagt. Alles ist Fantasie.“ Womit wirklich alles gesagt wäre.

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