Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München info@hanser.de
Unsere Prinzipien
✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags
Um die verbotenen Orte ihrer Kindheit zu sehen, unternahm Kapka Kassabova eine Reise in ihre Heimat. Was sie entdeckte, waren Wälder, Gebirge und Landschaften, die ihr Herz stehenbleiben ließen, so schön sind sie. Dort, wo Bulgarien, Griechenland und die Türkei aufeinandertreffen, das alte Thrakien. Bis 1989 war dieses Gebiet eine „verdunkelte, bewaldete Berliner Mauer“. Und jetzt? Sie sieht die Wälder des Strandscha-Gebirges und menschenleere Dörfer in den Rhodopen, sie trifft Schmuggler, Wilderer und ganz normale Leute, die ihr Geschichten erzählen über Liebe und Tod, das Einst und das Jetzt und wie es ist, vom Rand plötzlich in die Mitte der Welt gerückt worden zu sein.
Kapka Kassabova beginnt die Beschreibung ihrer Reise in das Dreiländereck Bulgarien-Griechenland-Türkei unprätentiös und ambitioniert zugleich. „Ich wollte wissen, was dort vor sich ging, 25 Jahre nachdem ich fortgegangen war.“ Ihr Buch ist ein sorgfältiger Bericht über die elende Alltagsnormalität eines Dutzends Menschen am Rande Europas.
„Bleiben Sie eine Woche, und Sie werden nicht mehr fortkommen“, sagte eine alte Frau des „Dorfes im Tal“, in dem sich Kassabova einmietet. Sie trifft auf Arbeitslose, Schmuggler und Jäger, ein alter Grenzsoldat erzählt von den fehlgeschlagenen Versuchen, in die Türkei zu fliehen. An die 4000 Menschen nahmen dieses Wagnis auf sich, einige hundert wurden erschossen und umstandslosen verscharrt. Der Alte, von dem es heißt, er habe damals selbst getötet, schenkt der Journalistin zum Abschied eine Handvoll Zwetschken.
Nicht weniger stark ist die Geschichte der „schönen Russin“, die Kassabova vor nächtlich herumstreifenden Frauen warnt, die ihre Wäsche verhexen könnten. Der von den bulgarischen Kommunisten staatlich organisierte Antikenschmuggel in den 1980er-Jahren ist die bizarrste Story des Buches. Die Goldschätze einer damals entdeckten thrakischen Nekropole wurden von der Akademie der Wissenschaften geplündert – Parteibonzen finanzierten damit ihr Luxusleben, Drehscheibe dafür war Wien.
Omnipräsent in den Rhodopen ist der heute weitgehend vergessene „Bevölkerungstransfer“ des Jahres 1989. „Es ist verlockend, eine Parallele zwischen der Vertreibung der bulgarischen Türken und dem Inferno zu ziehen, das bald darauf in der Nachbarschaft, in Bosnien, serbische Nationalisten anrichteten“, schreibt Kassabova. Und sie erinnert an einen weiteren Schandfleck in Bulgariens Geschichte: Zwar weigerte sich das Land im Zweiten Weltkrieg standhaft, seine jüdischen Bürger an die Nazis auszuliefern, aber um die Juden in den damals angrenzenden, bulgarisch besetzen Gebiete kümmerte sich niemand. Sie fielen dem Holocaust zum Opfer.
Kassabova versteht es meisterhaft, Kulturgeschichte ohne Betulichkeit zu schildern: Die bulgarische Tabakindustrie, die Herstellung von Rosenöl oder die Brücken aus osmanischer Zeit kommen dabei ebenso zu ihrem Recht wie die größte Bauchtanzshow des Balkans.