

Elefanten legen Deutschland lahm
Sebastian Fasthuber in FALTER 30/2025 vom 25.07.2025 (S. 29)
Sehr kluge Menschen machen meist kein großes Aufheben um sich. Bodenständiges Understatement steht ihnen besser zu Gesicht. Gaea Schoeters, Jahrgang 1976, ist so jemand. Trotzdem bleibt einem im Gespräch mit ihr manchmal der Mund offen. Als der Wiener Zsolnay Verlag vor zwei Jahren die Rechte an ihrem Roman "Trophäe" kaufte, beschloss die belgische Autorin kurzerhand Deutsch zu lernen. Um Lesungen ohne Hürden zu absolvieren und mit dem Publikum auf Augenhöhe reden zu können.
Heute beherrscht sie die Sprache fast perfekt und akzentfrei. "Ich glaube, Deutsch ist meine siebente Sprache", sagt Schoeters. "Es geht immer schneller." Sie verrät das Geheimnis ihres Erfolges: "Das Gute ist, wir untertiteln in Belgien. Wir sehen alles in Fremdsprachen. Ich habe jeden Sonntag 'Tatort' geschaut. Das Vokabular ist vielleicht ein bisschen eingeschränkt, aber dafür bekommt man die regionalen Dialekte und Eigenheiten mit." Dass Schoeters Linguistin ist und weiß, worauf es beim Erlernen einer Sprache ankommt, hat natürlich auch geholfen. Jetzt ist sie bereit, den deutschsprachigen Buchmarkt zu erobern. Tatsächlich war schon der Roman "Trophäe", der im Vorjahr erschien, ein Überraschungserfolg. Er erzählt eine so fesselnde wie verstörende Geschichte über die Großwildjagd in Afrika. Und vom "white gaze" - dem Blick, den die weißen Jäger mitbringen. Seit Hemingway war die Jagd in der Literatur kein relevantes Thema mehr.
Durch Herumklicken im Netz kam Schoeters zufällig mit der Materie in Berührung und erkannte darin einen dankbaren Stoff. Sie sagt: "Ich wollte diesen kolonialen Blick, den wir alle haben und der mit der Realität in den unterschiedlichen Länder Afrikas gar nichts zu tun hat, von innen erforschen." Es ist kein angenehmes Buch, sondern ein dunkles, aufwühlendes.
Kaum eineinhalb Jahre später erscheint nun der neue Roman "Das Geschenk", der sich als etwas helleres, komödiantisches Gegenstück dazu lesen lässt. Die Idee stammt wiederum aus dem Netz. Mokgweetsi Masisi, der Präsident Botswanas, wollte Deutschland im April 2024 gerne 20.000 Elefanten schenken. Das Angebot hat einen ernsten Hintergrund: Einige europäische Länder wollen den Import von Jagdtrophäen verbieten, darunter auch Deutschland. Doch Botswana hat zu viele Elefanten, angeblich 130.000, maximal 70.000 könne man verkraften.
In "Das Geschenk" spielt Schoeters das Gedankenexperiment durch, was passieren könnte, wenn plötzlich 20.000 Elefanten in Berlin auftauchen. Die Tiere sorgen für Chaos und drohen Deutschland lahmzulegen. Noch dazu ist gerade Wahlkampf.
Hübsch süffisant erzählt Gaea Schoeters davon, wie es ist, wenn Afrika in den Westen eindringt. In sehr kompakter Form behandelt sie relevante politische und moralische Fragen. Ohne Zeigefinger, dafür mit umso mehr Humor. Das Buch, das aus der Perspektive des deutschen Bundeskanzlers erzählt ist, hat das Zeug zum Bestseller.
Es war ein bewusster Schnellschuss, für den sie mit dem Verlag eine knappe Deadline vereinbart hatte, ein literarisches Experiment, bei dem man wie beim Blitzschach schnell Entscheidungen treffen muss. Außerdem brauchte sie Urlaub von einem schwierigen Stoff, an dem sie seit Jahren sitzt: einem grotesken Roman über den Krieg. Bevor sie den Entschluss fasste, nur noch literarisch zu arbeiten, war Schoeters sich für nichts zu schade. Sie war als Journalistin fürs Reality-TV tätig. Das hat ihr Spaß gemacht ("Man observiert, filmt ganz viel und macht daraus eine Montage"), bis es nicht mehr lustig war: "Ich konnte die Arbeit nicht mehr mit meinen ethischen Grundsätzen vereinbaren. Diese Sendungen zeigen ein gesellschaftliches Bild, das nur zum Teil mit der Realität übereinstimmt."
Später verfasste sie Drehbücher, um die Miete zu zahlen. Mit dem Bonus-Effekt: "Man lernt sehr schnell und gut, Dialoge zu Papier zu bringen." Dass sie Schriftstellerin werden will, wusste sie bereits mit 13. Ihren ersten Roman, für den sich kein Verlag fand, schrieb sie mit 20. Zwischenzeitlich hatte sie sich damit arrangiert, sich als Autorin mit weniger schöngeistigen Brotjobs über Wasser zu halten.
Ihr erstes Buch mit dem denkwürdigen Titel "Meisjes, Moslims & Motoren" ("Mädchen, Muslime und Motorräder", 2008) war ein Zufallsprodukt. Sie hatte als Bikerin eine lange Reise durch den Iran unternommen. Plötzlich machte ihr ein Verlag ein Angebot: "Aha, habe ich gedacht. Bücher schreiben geht dann doch."
Seither ist Buch um Buch entstanden, nebenbei arbeitet sie fürs Theater und für die Oper. Nur eines vermeidet Schoeters: "Ich will nicht zwei Mal die gleiche Art Buch schreiben. Am liebsten wechsle ich jedes Mal das Genre. Nur so lernt man dazu."