Die Krise der Öffentlichkeit

Kommunikation und Medien als Faktoren des sozialen Wandels
319 Seiten, Taschenbuch
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ISBN 9783593395227
Erscheinungsdatum 03.12.2011
Genre Soziologie/Soziologische Theorien
Verlag Campus
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Beltz Verlagsgruppe GmbH & Co. KG
Werderstr. 10 | DE-69469 Weinheim
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Kurzbeschreibung des Verlags

In den aktuellen Krisen und Umbrüchen tritt die Macht der Medien und der öffentlichen Kommunikation deutlich zutage. Kurt Imhof zeigt, dass Umbruchperioden, wie etwa die jüngste Weltwirtschaftskrise, wiederkehrende Phänomene darstellen und theoriefähig sind. Aus der gesellschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit »Öffentlichkeit« und »Privatheit« von den Klassikern bis in die Gegenwart entwickelt Kurt Imhof eine Theorie des neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit und begründet die Kommunikation als wichtigsten Faktor des sozialen Wandels.

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FALTER-Rezension

Die Öffentlichkeit, das unbekannte Wesen

Armin Thurnher in FALTER 41/2011 vom 14.10.2011 (S. 18)

Der Soziologe Kurt Imhof beschreibt die Krise und den neuesten Strukturwandel der Öffentlichkeit unter neoliberalen Bedingungen

Kurt Imhof untersucht Öffentlichkeit nicht nur, er ist ein Mann der Öffentlichkeit. Seine Studie über Qualitätsmedien führte in der Schweiz zu heftigen öffentlichen Debatten. Imhof, er leitet den Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Uni Zürich, verteidigt öffentlich-rechtliche Werte, scheut keine Debatte und keinen Streit und schreibt, wie es sich für einen Professor für Publizistikwissenschaft und Soziologie gehört, auch theoretische Werke.
Sein neuestes Buch befasst sich mit der Krise der Öffentlichkeit, jenes Wesens, das untrennbar mit der Aufklärung verbunden ist. Vor der Moderne beherrschte das religiöse Weltbild das Denken, die göttliche Ordnung und die irdische Macht als deren Inbild wurden den Menschen nur vorgeführt. Mit dem Sieg der Aufklärung änderte sich das; nun herrscht die Vernunft, und die will begründet und bestritten sein. Fortschritt wird möglich, das Göttliche wird Privatsache; fürderhin taugt es weder als Erklärung für große Katastrophen, welche wir Menschen erleiden, noch zur Rechtfertigung hohen oder niedrigen Rangs im Sozialgefüge.
An die Stelle der Monarchie tritt die Demokratie, das Parlament. Die gewählten Regierungen müssen ihre Entscheidungen in öffentlicher Kommunikation begründen. Dafür ist Freiheit nötig, keine Öffentlichkeit existiert ohne sie. Im Wort "Deliberation" scheint zwar Freiheit anzuklingen (libertas), es hat aber nichts damit zu tun, sondern mit dem Abwägen von Sachverhalten, mit dem öffentlichen Gebrauch der Vernunft. Redefreiheit, Versammlungs-, Organisations- und Medienfreiheit gehören dennoch unabdingbar zur Aufklärungsöffentlichkeit. Politisch emanzipiert sich hier der Bürger vom Untertanen. Die Gemeinschaft der Bürger entwickelt sich zum Nationalstaat.

Imhof liefert keinen historischen Abriss der Öffentlichkeit, er bezieht sich auf die Geschichte ihrer Theorie. Er zeigt, wie die klassisch-bürgerliche Öffentlichkeit von den Klassikern der Sozialtheorie eingeschätzt wurde, von Karl Marx, Ferdinand Tönnies, Max Weber, John Dewey, Hannah Arendt und Jürgen Habermas. Dieser liefert mit seiner Habilitation "Strukturwandel der Öffentlichkeit" das Stichwort für Imhof. Habermas, der seine heftig kritisierte These später teilweise selbst korrigierte, fasste den Strukturwandel der Öffentlichkeit unter dem Stichwort "Refeudalisierung" zusammen.
Imhof resümiert die Kritik an Haber­mas' Werk, er habe den Ausgangspunkt (die Aufklärungsöffentlichkeit) zu sehr als Idealtypus aufgefasst, was die Beschreibung des folgenden Niedergangs bereits implizierte; auch sei er zu sehr vom Kulturindustriebegriff der Frankfurter Schule ausgegangen, habe die Kraft der sozialen Bewegungen und auch die "Differenzierungsdynamik zwischen Politik, Wirtschaft und Medien" unterschätzt.
"Als bedeutender Ertrag bleibt (…) trotz dieser Kritik die zentrale Einsicht in die Effekte der strukturellen Bedingungen öffentlicher Kommunikation." Imhof setzt auf das deliberative Modell von Habermas und meidet die Wege jener Funktionalisten, die in der Nachfolge des Soziologen Niklas Luhmann in den vergangenen Jahrzehnten die Medienwissenschaften usurpierten und in norm- und wertfreie Watte packten.

Was aber ist Öffentlichkeit? Eine "aufmerksamkeitsoffene, ‚soziale Einrichtung'", in der permanent Themen um Resonanz konkurrieren, sagt Imhof. Permanent entstehen Kommunikationsereignisse. Indem Aufmerksamkeit ständig komponiert und dekomponiert wird, ergeben sich laufend neue "Kommunikationsereignis-Topografien, die die einzige Möglichkeit darstellen, um dem Abstraktum Gesellschaft täglich Konkretheit zu verleihen". Wir sind nur Gesellschaft, insofern wir öffentlich kommunizieren.
Der Strukturwandel dieser Kommunikation ist Thema von Imhofs Untersuchung. Von der idealtypischen Kommunikation rationaler Bürger mit dem Ziel, zu politischen Entscheidungen zu gelangen, der Deliberation, sind wir weit abgekommen. Die Arenen und Kanäle der Kommunikation haben sich vervielfacht, neue Akteure sind aufgetreten und die Rahmenbedingungen haben sich verändert (neue Netzwerkmedien, mögen sie so "partizipationsoffen" sein, wie sie wollen, ändern daran nichts).
Vor allem hat sich die Wirtschaft von der Politik entkoppelt und der Nationalstaat von der Politik; wir leben in nicht mehr sozialmarktlich, sondern neoliberal geprägten Gesellschaften. Der Nationalstaat hat Souveränität an überstaatliche Gebilde abgegeben, öffentlich-rechtliche Dienste wurden geschwächt. Ergebnis: Die Gesellschaft büßt zunehmend ihre notwendige Fähigkeit zur Deliberation ein, an deren Stelle tritt "moralisierende Emotionalisierung", vor allem bei Unterschichtmedien, die nur mehr über Personalisierung, Skandalisierung und Agendakaskaden funktionieren. Das oft in diesem Blatt beklagte Fazit: "Der Medienpopulismus wird (…) zum Format des Politischen und unterstützt die neue plebiszitäre Funktion der Medien."
Dem politisch-publizistischen Konflikt, diesem Klassiker der Aufklärung, muss der "klinische Tod" bescheinigt werden; eine europäische Öffentlichkeit, die das Problem der Legitimität lösen könnte, ist nicht in Sicht. Geschweige denn (zumindest bei uns) die nötige Debatte über die verlorene deliberative Kraft der Öffentlichkeit in dieser Öffentlichkeit. Imhof dekliniert seinen Befund nach allen Regeln der soziologischen Kunst durch. Ein wichtiges Buch, schade, dass es in jenem "grauen, trockenen Packpapierstil" geschrieben ist, den Heinrich Heine einst zu Unrecht Immanuel Kant ankreidete.

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