Religion in der modernen Welt

192 Seiten, Taschenbuch
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ISBN 9783596183609
Erscheinungsdatum 01.06.2009
Genre Sachbücher/Philosophie, Religion/Sonstiges
Verlag FISCHER Taschenbuch
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S. Fischer Verlag GmbH
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Kurzbeschreibung des Verlags

Spätestens seit seiner radikalen Kritik am Christentum in der ZEIT von Anfang 2000, die auf große Resonanz stieß, ist der Philosoph Herbert Schnädelbach einer breiteren Leserschaft als ebenso scharfsinniger wie gelassener Kritiker der Religion bekannt. In diesem Band legt er nun seine gesammelten, aktuellen und zum Teil noch unveröffentlichten Schriften zur Religion vor. Die Themen reichen vom Verhältnis zwischen Religion und kritischer Vernunft, der politischen Theologie des Monotheismus, der Wiederkehr der Religion bis zur knappen Antwort auf die Frage: »Wo ist Gott?«

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FALTER-Rezension

Gottes Werte sind zurück, doch die Kirchen bleiben leer

Sebastian Kiefer in FALTER 51/2009 vom 18.12.2009 (S. 28)

Der Philosoph Herbert Schnädelbach verfasst die wichtigsten Verteidigungen der Aufklärung im Zeitalter neureligiösen Taumels

Wenn Gott tot ist, ist alles erlaubt", schreibt Dostojewski. Heißt das: Sobald niemand mehr an Gott glaubt, sei alles erlaubt? Die christliche Kirche jedenfalls war jahrhundertelang der beste Beweis dafür, dass Dostojewskis Satz, so verstanden, nur des Teufels sein kann. Dennoch wird heute wieder allerorten verkündet, dem allgemeinen Verfall der Werte, dem Mangel an Sinn und Orientierung könne nur abgeholfen werden, wenn die Religion wieder Fundament der Moral würde.
Der Philosoph Herbert Schnädelbach ist einer der wenigen, die dieser schleichenden Eintrübung von Herz, Recht und Verstand mit der nötigen Souveränität entgegentreten. Minister und Bischöfe spielen sich also wieder zu Hütern unserer christlich-abendländischen Werteordnung auf – doch die Kirchen sind leer. Es gibt keine Wiederkehr der Religion, es lebt allenfalls das Bedürfnis nach Religiosität auf, so Schnädelbach in "Religion in der modernen Welt", einem spannenden Sammelband seiner Vorträge, Abhandlungen und Streitschriften. Bei der massenmedialen Show des Papststerbens, der Kirchentage, im Gemeindesingen, in Selbstfindungskursen und Wellnesswochenenden werden lediglich vage, variable Bedürfnisse nach Frieden, Gemeinschaft, Gesundheit, Entspannung, Trost, Transzendenz bedient.

Die falschen Prätentionen der christlichen Kirche, lehren die Streitschriften des Philosophen Schnädelbach, begannen im Augenblick, da sie sich via Kirchenväter formierte: Diese luden christliche Legenden durch Adaption antiker Philosophien auf; Jesus wird nun platonisierend als Verkörperung von Wahrheit verkauft, der Glaube an Gott ein Erfassen der "Wahrheit" genannt. Platonisieren ist unvereinbar mit dem Geist der jüdischen Mutterreligion, die
Bezeichnung von Glauben als "Wahrheits"-Erfassung ein propagandistisch gewollter Kategorienfehler. Moses, zu dem Gott durch den brennenden Busch spricht, und Thomas, der vom Auferstandenen bekehrt wird, werden nicht nur durch Wahrheitsansprüche überzeugt, sondern von quasisinnlichen Evidenzen überwältigt (oder überrumpelt). Evidenzen sind weder wahr noch falsch; sie wirken einfach. Wenn sie allerdings in Lehren umgemünzt werden, werden aus ihnen Behauptungen – und diese können nun wahr oder falsch sein.
Diese (illegitim erhobenen) Wahrheitsansprüche provozierten schon damals Zweifel und daher liegt der Keim künftiger Aufklärung im Schoß der christlichen Religion selbst. Nur insofern kann man dem Christentum Vernunft zusprechen, denn die Geschichte der Vernunft ist, wie Schnädelbach in einem anregenden Reclam-Paperback 2007 ausführte, zuallererst eine Geschichte der Kritik des Vernunftbegriffs selbst – und daher notwendigerweise auch eine Geschichte zunehmender Pluralisierung der einen Vernunft hin zu verschiedenen Rationalitäten.
Das Christentum hätte also, wenn es die "Vernunft" zu Recht ihr eigen nennen wollte, die in ihren Reihen immer wieder abgebrochene Entmystifizierung zu vollenden: Ganz offensichtlich zu Propagandazwecken erfundene Dinge wie der Kindermord zu Bethlehem haben nur so benannt Platz im Schulunterricht.
Geschichten wie die vom Beben der Erde beim Tod Jesu sind ohnehin in der Alten Welt verbreitete volkstümliche Märchen. Die den Juden angedichtete Selbstverwünschung, überhaupt der ganze christliche Antijudaismus ist keine Marginalie; Ressentiment und Überhebung sind biblischen Ursprungs, ebenso die Intoleranz gegenüber Ungetauften, Grundlage von Jahrtausenden der Verbrechen und Kolonialisierung.
Daher haben die Kirchen vor den eigenen Toren zu kehren, anstatt geschichtsklitternd auch noch Toleranz als ihren ureigenen Wert zu beanspruchen: Toleranz ist zunächst ein Erbe der antiken Philosophie und zuletzt eines der neuzeitlichen Aufklärung. Die Kreuzigungsmythologie ist eine Travestie jüdischer Sühnerituale, das Motiv der Gottesebenbildlichkeit wie das Liebesgebot jüdischen Ursprungs. Wenn heutige Christen die egalitäre Menschenwürde ihr eigen nennen, ist das ebenfalls eine schamlose Geschichtsklitterung: Das Denkmotiv wurde der Stoa entnommen, dann durch Paulus' menschenverachtende Lehre der Erbsünde pervertiert – und das egalitäre Naturrecht musste in der Neuzeit gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen (wieder) errungen werden.

Um die Illegitimität religiöser Ansprüche an Wahrheitsfindung und Moral aufzudecken, nimmt Schnädelbach bewusst große Lücken, enorme Vereinfachungen und Zuspitzungen in Kauf. Wenn etwa die Vernunft heute nicht mehr im Singular zu haben sei, schreibt er, sondern aus einem Bündel verschiedener Rationalitäten bestehe, wie könne Aufklärung da noch im kritischen Gebrauch der Vernunft bestehen? Schnädelbach setzt wie alle Aufklärer voraus, dass Vernunftgebrauch ein oberster Wert an sich sei – und nicht zum Beispiel das Glück, mag es nun vernünftig oder unvernünftig sein. Schnädelbach verschweigt wie alle Gegendiskutanten, dass es große Religionen gibt, die im Gegensatz zu Christentum und Islam uneingeschränkt kompatibel mit einer pluralistischen und individualistischen Gesellschaft sind, den Buddhismus etwa oder den Taoismus.
Dennoch sind Schnädelbachs Schmähungen die derzeit gewichtigsten Verteidigungen der Aufklärung im Zeitalter des neureligiösen Taumels. Der fromme Atheist, so sagen es die schönsten Texte des Buches, setzt nicht eine vermeintliche Wahrheit gegen eine andere. Er hat nichts gegen Gott, umso mehr aber gegen die Unbescheidenheit, die mit dem Glauben an ihn einherzugehen pflegt.

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