Über Fotografie

Essays
202 Seiten, Taschenbuch
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ISBN 9783596230228
Erscheinungsdatum 01.09.1980
Genre Kunst/Fotografie, Film, Video, TV
Verlag FISCHER Taschenbuch
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S. Fischer Verlag GmbH
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Kurzbeschreibung des Verlags


Amerikas brillanteste Literatur- und Kulturkritikerin beschreibt in vier großen Essays die Fotografie
Susan Sontag erötert die Beziehung der Fotografie zur Kunst, zum allgemeinen Bewusstsein, zur Realität und diskutiert die Arbeiten der berühmten und entscheidenden Fotografen des 20. Jahrhunderts – und die Enstehung einer Ästhetik, die es vor der Fotografie nicht gab. Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie ist eine persönliche Erfahrung: Als Zwölfjährige sah Susan Sontag Aufnahmen aus den Konzentrationslagern von Bergen-Belsen und Dachau: »Mein Leben war verändert worden, in diesem einen Augenblick ... Als ich diese Fotos betrachtete, zerbrach etwas in mir.«
Die außerordentliche Sensibilität von Susan Sontag, mit der sie Zeitströmungen und Veränderungen in unserem Bewusstsein wahrnahm, die Intelligenz, mit der sie Phänomene in einen neuen Kontext zu stellen und zu deuten wusste, der moralische Impuls, von dem ihr Denken ausging, und schließlich die Lebendigkeit und der Assoziationsreichtum begründeten den Ruhm ihrer Essays.


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FALTER-Rezension

Heute ist gestern und Wien ist New York

Kirstin Breitenfellner in FALTER 21/2012 vom 25.05.2012 (S. 26)

War früher alles schöner? Macht Fotografieren süchtig? Und kann heute jeder gute Fotos machen? Eine Suche nach den Wurzeln des Hipstamatic-Hypes

Der Drang zum Fotografieren ist im Prinzip wahllos, denn die Praxis der Fotografie basiert heute auf der Vorstellung, dass alles auf der Welt durch die Kamera interessant gemacht werden könnte." Dieser Satz, vor 35 Jahren veröffentlicht in einer der berühmtesten Abhandlungen über Fotografie, gilt mehr denn je.
Er stammt aus Susan Sontags Buch "Über Fotografie", einer der schärfsten Kritiken nicht nur des wahllosen Knipsens, sondern des Mediums Fotografie an sich, beseelt von einer Hassliebe, die sich heute noch besser nachvollziehen lässt als damals.
Einen Grund dafür liefert Hipstamatic, der derzeit wohl größte Hype am App-Himmel, das Fotografieprogramm des amerikanischen Entwicklers Synthetic LLC für mobile Apple-Geräte – also für iPhones oder iPods, nicht für Fotoapparate – und nicht nur von "Gott" Apple selbst zur App des Jahres 2011 gekürt, sondern auch von der weniger voreingenommenen Redaktion der Zeit Online.
Im März dieses Jahres ging Hipstamatic mit derzeit rund vier Millionen Nutzern, die monatlich 48 Millionen Bilder teilen, eine Partnerschaft mit der Plattform Instagram ein, einem Start-up mit einem Dutzend Mitarbeitern, kaum Umsatz, aber mit 30 Millionen Usern eines der am schnellsten wachsenden Netzwerke weltweit. Um den Hype zu vervollständigen, erwarb Mark Zuckerberg Instagram einen Monat vor dem angekündigten Börsengang von Facebook für eine Milliarde Dollar. Er muss es ja wissen – posten doch immer mehr seiner 800 Millionen Nutzer Fotos, die mit einer der beiden Apps erstellt wurden.

Fotografieren und Sucht
Fotos zu posten, ist leichter, als sich verbal mitzuteilen. Fotos sagen: Ich bin da. Es gibt mich noch. Und die Fotos, die man mit Hipstamatic machen kann, haben zusätzlich noch den Reiz, die Wirklichkeit zu verschönen, nein, zu verzaubern.
Mit den Retrofiltern gerät ein Ausflug in die schnöde Provinz zur Zeitreise in eine vergangene, irgendwie wärmere Epoche, ein Spaziergang durch einen Wiener Bezirk von heute zur aufregenden Weltreise ins New York der 1970er- oder ins Italien der 1950er-Jahre.
Hipstamatic macht süchtig. Nicht nur weil Fotografieren als Ausdruck eines Begehrens, das nie endgültig befriedigt werden kann, weil sich die Welt nicht festmachen, die Zeit sich nicht anhalten lässt, an sich schon süchtig macht. Sondern auch, weil durch die App alles von Neuem fotografierwürdig wird – und sei es nur, um zu sehen, wie es sich mit Hipstamatic "macht".
Und es macht sich gut: Gesichter werden weicher und schöner (und wer möchte nicht auf diese Weise auf Facebook gesehen werden), der Himmel dramatischer, düstere Schatten im Bildeck deuten auf ein Geheimnis hin, das es gar nicht gibt, und die gedeckten Farben und Schwarzweißmodi reduzieren eine überfordernd komplexe Wirklichkeit.
Für Freunde der Reduktion mit großem Geldbörsel und Ambitionen hat Leica vor wenigen Tagen eine Digitalkamera herausgebracht, die ausschließlich Schwarzweißfotos macht. Kostenpunkt: 5000 Euro.
Hipstamatic ist dagegen spottbillig. Für 1,79 Euro bekommt man ein Grundpaket mit fünf Linsen, sieben Filmen und drei Blitzen, die beliebig kombiniert werden können. Für 79 Cent können weitere erworben werden. Nach dem Auslösen berechnet die Software den Einfluss der Filter mehrere Sekunden lang, was als "Entwickeln" bezeichnet wird. Das Programm kann zwar nicht blitzen, tut aber bei der "Entwicklung" des Bildes so, als ob.
Im Gegensatz zu Instagram, wo man die Fotos nachträglich bearbeiten kann, läuft bei Hipstamatic sofort ein Filter über die Aufnahme. Ob feiernde Jugendliche, die die coolen Aufnahmen gleich sehen wollen, der Artdirektor auf seinem Spaziergang an der Donau, der keine Ambition verspürt, in der Freizeit noch lang an einem Bild herumzudoktern, oder die mitteilsame Familie auf dem Wochenendtrip – Hipstamatic ist leicht, macht Spaß und lässt sich per Knopfdruck sofort auf einer der großen weltweiten Communitys von Facebook und Twitter bis Flickr teilen.
Hier ist alles Gefühl. Nicht nur das quadratische Format und die körnige Optik, sondern auch die Produktbeschreibungen. Linse Buckhost H41: "Abrocken in den Wäldern von Wisconsin mit diesem Biest von einer Linse." Ina's 1969 Film: "Ina besitzt heute eine Bäckerei, aber vor 40 Jahren hat sie einen super seriösen Instantfilm geschaukelt. Vertreibe die Langeweile mit diesem feinen Film." Dreampop Blitz: "Das ist der Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Dieser Blitz lässt eine seltene Mischung von unterbewusstem Licht aufpoppen für diesen Look wie ‚gerade aufgewacht'."
Ein Spielzeug für Laien mit kindlichem Gemüt? Nicht nur.

Profis und Laien
Mit Pulitzerpreisträger Damon Winter gewann 2011 der erste Pressefotograf mit der Fotoapp einen internationalen Preis (3. Platz für Feature Picture Story bei Pictures of the Year International). Und zwar nicht mit einem Wohlfühlthema, sondern indem er amerikanische Soldaten bei einem Einsatz in Afghanistan begleitete.
Dadurch dass er keine "echte" Kamera in der Hand hatte, sondern nur unauffällig mit seinem iPod hantierte, gelangen ihm selten intime Aufnahmen von liebevoll raufenden oder ineinander verschlungen schlafenden Soldaten – zu sehen unter: http://lens.blogs.nytimes.com/2011/02/11/through-my-eye-not-hipstamatics/?src=tptw mit einem Kommentar von Winter.
Seitdem tobt eine Diskussion über den Unterschied zwischen Berufs- und Laienfotografie, an dem Susan Sontag schon in den 1970er-Jahren gezweifelt hat, indem sie meinte, Fotografieren sei demokratisch, gerade weil diese Kluft nicht unüberwindbar sei. Ein gutes Foto könne jeder schießen – und sei es bloß aus Zufall.
Auch wenn der prämierte Damon Winter in seinem Kommentar, mit dem er zu der Debatte erst spät Stellung nahm, den professionellen Blick verteidigt, die Komposition, den Ausschnitt und das Gefühl: In einer Gesellschaft, in der jeder mit der Ästhetik "professioneller" Bilder aufwächst und die Technik Fotografieren kinderleicht ist, lässt sich diese Unterscheidung immer schwerer aufrechterhalten.
Man vergleiche dazu etwa die Aufnahmen, die ein Mitglied der US Marines von der afghanischen Bevölkerung und ihrem desolaten Alltag unter dem Pseudonym basetrack auf Flickr gestellt hat (http://www.flickr.com/photos/­basetrack/).
Auch aus diesen Bildern spricht eine Melancholie und gleichzeitige Unmittelbarkeit, die mindestens so viel mit dem Medium wie mit der Person zu tun hat, die im richtigen Moment den Touchscreen berührt hat.
Von hunderten aufgenommenen Bildern habe er nur eine Handvoll der Reproduktion für wert befunden, meint Winter – und verlegt damit den professionellen Akt von der Aufnahme in die Auswahl. Seit Erfindung der digitalen Fotografie ist es aber auch für den Laien nicht mehr zu aufwendig oder teuer, einfach so viele Fotos zu schießen, bis ein gutes dabei ist. Und ausgearbeitet werden heute ja sowieso nur noch die allerwenigsten Bilder.

Die Antiquierung des Alltags
Hipstamatic-Fotos können wie alle digitalen Bilder nicht altern. Alt sehen sie trotzdem aus. Mit ihrem Look vergangener Zeiten passen sie perfekt zum Retrohype vor allem junger Menschen, der Sehnsucht nach einer "guten alten Zeit", die sie nicht kannten und über die es sich dafür umso trefflicher fantasieren lässt.
Dass Susan Sontags Abhandlung – erschienen 1977 bzw. auf Deutsch 1980 – aus ebenjener Epoche stammt, die diese neumodische altmodische Ästhetik imitiert, mag wohl ein Zufall sein.
Erstaunlich mutet jedoch die scheinbare Prophetie von Sontags damaligen Dia­gnosen an. Die Fotografie erfand nach Sontag den Heroismus des Sehens, eine gierige Sensibilität, die Apotheose des Alltags. Fotografieren verwandelt die Realität in eine Tautologie, denn Fotografien erklären nicht, sie bestätigen. Und: "Der Fotograf ist wohl oder übel damit befasst, die Realität zu antiquieren, und jede Fotografie wird sofort Antiquität."
Fotos haben für Sontag keine eindeutige Beziehung zu demjenigen, der sie aufgenommen hat, deswegen sind sie keine Kunst und deswegen gibt es auch kein schlechtes Foto. Alles, was auf ein Foto gebannt wurde, erscheint uns in einem begehrenswerten Licht: "Alles, was man fotografiert, wird dadurch schön. Das ist die fotografische Lüge."
Die Kamera verführt zu einer passiv-aggressiven Haltung, denn durch sie werden Menschen zu Kunden oder Touristen der Realität. So entstehen Konsumentenbeziehungen zu Ereignissen, die Teil unserer Erfahrung sind, wie Geburtstage, Urlaub oder Weihnachten. Fotos reduzierten die Komplexität der Wirklichkeit durch die Wahl eines Ausschnitts.
Aber mit der Wahlfreiheit ist das so eine Sache. Heute haben wir mehr davon als vor 30 Jahren und tendenziell immer zu viel davon. Hipstamatic erhöht diese Komplexität noch durch die Kombinationsmöglichkeit von Linsen, Filmen und Blitzen. Deswegen haben die gewieften Erfinder sich etwas einfallen lassen: Mit der Funktion "Schütteln" befreit uns Hipstamatic von lästigen Entscheidungen, indem es per Zufallsgenerator Linse, Film und Blitz kombiniert.
Heraus kommt eine harmlose Überraschung, die hübsch anzusehen ist und die man auch gleich wieder löschen kann. Spaß macht es trotzdem.

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