Der Garten der Dissidenten

Roman
480 Seiten, Hardcover
€ 25.7
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ISBN 9783608501162
Erscheinungsdatum 13.02.2014
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Tropen
Übersetzung Ulrich Blumenbach
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J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH
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Kurzbeschreibung des Verlags


Wegen der Affäre mit einem schwarzen Polizisten wird Rose Zimmer aus der kommunistischen Partei Amerikas ausgeschlossen. Zuvor war bereits ihr deutsch-jüdischer Ehemann Albert als Spion in die DDR verbannt worden. Dennoch hält die »Rote Königin« von Queens stur und tyrannisch an ihren politischen Überzeugungen fest. Ihre Tochter Miriam kann vor Roses erdrückendem Einfluss nur in die aufkommende New-Age-Bewegung fliehen. Miriams Sohn wächst dagegen in einer Welt auf, in der gesellschaftliche Ideale bloß noch belächelt werden. Und doch kämpfen all diese unvollkommenen Menschen darum, ihre utopischen Träume in einem Amerika zu verwirklichen, in dem jedem radikalen Lebensentwurf mit Hass oder Gleichgültigkeit begegnet wird.


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FALTER-Rezension

Vom braunen Opa und der roten Oma

Sigrid Löffler in FALTER 10/2014 vom 07.03.2014 (S. 35)

Jonathan Lethem und Per Leo wählen gegensätzliche Strategien, um von ihrer Familie zu erzählen

Die Milieus könnten unterschiedlicher nicht sein. Hier die Patriziervilla einer großbürgerlichen Reederfamilie am Steilufer der Weser im Bremer Hafenstädtchen Vegesack – komplett mit Ururgroßmutters Porzellanservice (48 Gedecke) und dem politischen Giftschrank des Großvaters in den beiden untersten Fächern des Bücherregals. Dort die sozialistische Modellsiedlung Sunnyside Gardens im New Yorker Stadtteil Queens, ein linkes soziales Experiment, gestartet einst von Lewis Mumford und Eleanor Roosevelt: eine Gartenstadt als alternatives Universum amerikanischer Kommunisten, viele davon jüdische Zuwanderer aus Europa.
In beiden Fällen geht ein Enkel den Spuren großelterlichen Lebens nach. In Vegesack ist es der Historiker Per Leo, der die Nazi-Bibliothek seines Großvaters Friedrich Leo sichtet und dort neben völkischem Blut-und-Boden-Schrifttum auch ein Geschenkbüchlein findet, das Heinrich Himmler seinen Mannen zum Julfest 1944 überreichen ließ und in dem "dem Hitlerführer, dem lieben und tüchtigen Mann", gehuldigt wird.
"Flut und Boden. Roman einer Familie" nennt Per Leo sein literarisches Debüt, in dem er das nicht eben seltene Genre der Enkelrecherche zum Leben eines Nazi-Großvaters um eine interessante Facette bereichert: Er stellt dem reuelosen Sturmbannführer und Rassezüchter Friedrich Leo dessen ganz anders gearteten Bruder gegenüber. Der sanfte Goetheaner und Sterngucker Martin Leo mit der verkrümmten Wirbelsäule, 1938 auf Anordnung der Nazis wegen seines Morbus Bechterew zwangssterilisiert, ist die zweite Hauptfigur dieses Familienromans. Für den Autor gehören die gegensätzlichen Brüder "zusammen wie zwei Hälften eines zerrissenen Bildes", komplementär geprägt, wie sie sind, von unterschiedlichen Denkschulen deutscher Geistesgeschichte.

Die Familienstory, die der amerikanische Autor Jonathan Lethem in seinem neunten Roman "Der Garten der Dissidenten" erzählt, ist in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil zu Per Leos Vegesack-Saga. Lethem, berühmt geworden als literarischer Chronist New Yorks, begibt sich auf die Lebensspuren seiner eigenen Großmutter in Sunny­side Gardens. Die Großmutter hat ihm zwar für seine Hauptfigur, die kämpferische jüdische Kommunistin Rose Zimmer, Modell gestanden, doch lässt sich Lethem von den familienbiografischen Fakten in seiner erfinderischen Erzählfreude nicht einengen.
Wo sich der Historiker Per Leo als penibler Quellentüftler an sein dokumentarisches Material kettet und sich jede imaginative Freiheit streng versagt, treibt Lethem mit seinem Familienpersonal sein lebhaftes literarisches Spiel. Ob Rose Zimmers sonderbare Patchwork-Familie den Tatsachen entspricht oder erfunden ist, erscheint immer nebensächlicher, je deutlicher Lethems literarische Absicht hervortritt. Sein Roman will nicht bloß als familiäre Privatstudie seiner eigenwilligen Großmutter gelesen werden, sondern vielmehr als Gruppenporträt radikaler dissidenter Milieus in den USA über drei Generationen hinweg – vom Kalten Krieg bis zur Occupy-Bewegung von heute.

Der Autor verfolgt den roten Faden der linken Gegenkulturen in Amerika in ihren sehr unterschiedlichen politischen Ausprägungen, die nur eines gemeinsam haben: das Festhalten an der Utopie einer neuen, gerechten Gesellschaft, allen Enttäuschungen und Niederlagen zum Trotz. "Der Garten der Dissidenten" erzählt von der Marginalisierung der amerikanischen Linken im 20. Jahrhundert und bringt deren verdrängte und diffamierte Geschichte ans Licht. Insofern bietet der Roman die Gegenerzählung zum beherrschenden politischen Narrativ in den heutigen USA.
Lethems Roman hebt sofort ab, nachdem Rose 1955 in einem stalinistischen Blitzverfahren in ihrer eigenen Küche in Sunnyside Gardens von ihren Genossen aus der Partei ausgeschlossen worden ist. Offizielle Begründung: ihre Affäre mit einem verheirateten schwarzen Polizisten. Das gilt den Genossen als "übertriebener Eifer für die Sache der Negerrechte".
Danach weitet sich das Werk zu einer Collage von Stimmen, Ideen, persönlichen und politischen Geschichten aus sechs Jahrzehnten. Anstelle eines Plots gibt es einprägsame, meist tragikomische Momentaufnahmen aus dem Leben von Rose Zimmers Ad-hoc-Familie, zu der neben ihrer Tochter Miriam noch deren Mann, ein erfolgloser irischer Folksänger, ferner ein verklemmter Jung-Quäker, ein betrügerischer Numismatiker namens Lenny (Koseform für "Lenin"), ein DDR-Spion und ein übergewichtiger schwarzer Ästhetik-Professor an einem Oststaaten-College gehören.

Diese Figurenfauna entwickelt ein temperamentvolles Eigenleben und nistet sich sofort nachdrücklich in der Leserfantasie ein. Schon das unterscheidet Lethem erfreulich von Per Leo, der die Mitglieder seiner verzweigten Familie, statt sie zu charakterisieren, oft hinter Kürzeln wie M42 oder W36 verbirgt, was sich wohl als Männlich/Weiblich plus Geburtsjahr entziffern lässt, aber doch bloß erzählerisches Versagen zur Protokollform erhebt.
Lethem hingegen schöpft aus dem Vollen. Im Zentrum steht das konfliktreiche Verhältnis zwischen Rose und ihrer Tochter Miriam. Die Mutter ist herrschsüchtig und autoritär, "eine titanisch willensstarke Frau", in Sunnyside Gardens widerwillig respektiert, aber als unbeugsame Kommunistin auch gefürchtet und verhasst. Ihr Leben lang hält sie rechthaberisch an ihren oppositionellen Überzeugungen und ihrem radikalen Engagement für die Menschheit als Ganzes fest. Alle ihre Nächsten will sie gewaltsam zur Autonomie erziehen, doch ihr übergroßes heroisches Ego steht dem im Wege – weshalb ihr alle wegen ihrer tyrannischen Bevormundung grollen und ihr das Leben zum Vorwurf machen, das sie führen. Das ist das tragische Dilemma in ihrem Leben.
Tochter Miriam, die sich vor der Mutter in die Hippie-Boheme von Greenwich Village flüchtet, hat einen anderen Begriff des Revolutionären – für sie eine Mischung aus Drogen- und Hippiekultur, plus Pazifismus nach Art der friedensbewegten Protestkunst der Folkmusik, plus Engagement für linke Befreiungsbewegungen in Lateinamerika: So feurig wie naiv unterstützt sie den Guerillakampf der Sandinisten.
Wie tragisch die einzelnen Schicksale zum Teil auch verlaufen: Der Garten der Dissidenz wird – wie Lethem zeigt – auch weiterhin blühen, etwa in Form der Occupy-Bewegung. Das Ende seines Romans legt aber auch nahe, dass die Verfolgung und Kriminalisierung der revolutionären Linken gute alte amerikanische Tradition bleibt.

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