

„Als Ehefrau optima, Sir“
Christina Vettorazzi in FALTER 12/2024 vom 20.03.2024 (S. 16)
Zuleika lebt als Einwandererkind im London des Römischen Reichs um 211 nach Christus. Der Vater hat sich hochgearbeitet. Nun verkauft er in seinen Läden alles – Wein, Schuhe, Grün- wie Werkzeug. Bei der ersten Gelegenheit geht auch die Tochter an den Höchstbietenden: „Zuleika sehr oboediens. Kein bisschen problemata, als Ehefrau optima, Sir.“
Den reichen Patrizier Lucius Aurelius Felix akzeptiert der Vater natürlich als Schwiegersohn. Die erst elfjährige Zukeika muss also lernen, sich zu benehmen: „Eben noch barfuß Hüpfkästchen gespielt, // plötzlich vier Fuß hoch in der Sänfte, Hauptsache, // die rosa Strümpfe werden nicht dreckig.“ So beginnt der nun übersetzte Roman „Zuleika“ (im Original: „The Emperor’s Babe“, 2002), den Bernardine Evaristo in Versen verfasst hat.
Die britische Schriftstellerin gewann 2019 als erste schwarze Frau den Booker Prize und damit den wichtigsten britischen Literaturpreis, der mit umgerechnet rund 57.000 Euro dotiert ist. Mit ihrem Roman „Girl, Woman, Other“ setzte sie sich gegenüber Werken von Salman Rushdie und Elif Shafak durch, sie teilte sich die Auszeichnung mit Margaret Atwood („The Testaments“).
Den massiven Patrizier als Mann! So kommt es nun. Zuleika zieht in seinen Palast ein und damit sind die Regeln gleich klar: Er bestimmt, sie hat zu folgen. Dabei gibt es Boni, die das Mädchen sich erarbeiten kann. So ist beispielsweise ein Besuch der Leibmasseurin Cornelia „der Preis für einen Blowjob“.
Zuleika lernt schnell, wie sie funktionieren muss, um zu bekommen, was sie will. Sie merkt jedoch auch, welche Macht ihrer eigenen Person mittlerweile innewohnt. Schließlich steht sie als Hausherrin in der Hierarchie direkt unter Felix. Das zeigt sich vor allem im Umgang mit den Sklavinnen Valeria und Aemilia: „Libertas bekommt ihr, wenn ich tot bin, // das wisst ihr beide sehr genau.“
Ihr sexuelles Potenzial steigt mit jedem Jahr. Denn ihr Körper reift und zieht die Blicke der mächtigsten Männer auf sich. Schließlich sogar jene von Kaiser Septimius Severus.
Obwohl der Roman in Verse gegliedert ist und damit einer strengen Form unterliegt, wirkt vieles willkürlich. So fehlen etwa Reim und Rhythmus. Doch passt das perfekt zum Inhalt, denn Zuleikas ganze Geschichte ist fremdbestimmt.
Die Ansagen den Sklavinnen gegenüber zeugen somit nicht von einem schlechten Charakter, sondern von der Sogwirkung der Macht sowie von Hilflosigkeit: „Ich war der Mensch, zu dem mich diese Welt gemacht hatte, und sie ebenso. // Doch was ich weiter würde, // war mir nicht mehr so klar.“
Evaristo spielt ihre Figuren als Mittäter gegeneinander aus. Jeder gegen jeden, so der Ansatz. Frauen konkurrieren um Männer, Männer um Macht. Männer besitzen Frauen, Frauen als Hausherrinnen ihre Sklavinnen. Die Regeln wirken wie Naturgesetze und sind doch menschengemacht, können daher verändert werden.
Kaiser Severus ist schön, stark und noch viel mächtiger als Felix. Vor allem jedoch mag er Zuleika wirklich. Als sie eine Affäre beginnen, verliebt sie sich sofort in ihn und vergisst alle Vorsichtsmaßnahmen, die an Orten voller Intrigen nötig sind. Doch sosehr sie Severus’ Gegenwart sowie die Distanz zu Felix genießt, muss sich Zuleika doch bald eine Frage stellen: Lohnt es sich, dafür zu sterben?
In dieser Kurzfassung klingt das nun nach einem deprimierenden Stoff. Doch das ist „Zuleika“ nicht – und trotz der lyrischen Form auch kein anspruchsvoller, anstrengender Text.
Der Roman bietet trotz seiner thematischen Schwere ein einziges Lesevergnügen – und ja, das muss eine Autorin erst schaffen. Evaristo packt Theorie, Ästhetik und Empathie so in einen Text, als wäre alles ganz leicht.