

Die Tänzerin, der Love-Scammer und die Einsamkeit
Sebastian Fasthuber in FALTER 43/2024 vom 25.10.2024 (S. 30)
Mit einem originellen Stück Autofiktion hat die in Leipzig lebende Performance-Künstlerin und Autorin Martina Hefter (Jg. 1965) den Deutschen Buchpreis gewonnen. "Hey guten Morgen, wie geht es dir?" heißt ihr ausgezeichneter Roman.
Hefter eignet sich den lockeren Ton von Chats an, um eine Geschichte zu erzählen, in der dann doch sehr große Dinge angesprochen werden: Einsamkeit etwa, Altern und Krankheit, Rassismus und das Erbe des Kolonialismus.
Die Hauptfiguren tragen die Namen von Göttern: Juno ist eine Tänzerin und Performerin Mitte 50, die sich mit Projektstipendien über Wasser hält. Ihr Alltag wird geprägt von der Langzeitbeziehung zu dem Schriftsteller Jupiter. Der ist an Multipler Sklerose erkrankt und seit vielen Jahren von ihrer Hilfe abhängig. Das zehrt an Juno.
Sie leidet an Schlaflosigkeit. Nachts öffnet sie die Chat-Anfragen von wohlhabenden, gut aussehenden Männern in ihrem Alter. Ihr ist bewusst, dass es sich in Wahrheit um Love-Scammer handelt, die irgendwo in Osteuropa oder Afrika sitzen und ihr nur Geld rauslocken wollen.
Doch sie lässt sich auf das Spiel ein und erfindet für sich selbst alternative Biografien - oder schreibt einfach schönen Unsinn: "Verheiratet? Nope, ich leb mit drei Dienern, zwei Männer eine Frau, wir beschimpfen einander und trinken dabei einen Kasten Bier. Und du?" Meist wird sie von ihrem Gegenüber schnell blockiert.
Benu ist anders. Der Nigerianer findet Gefallen an der Kommunikation mit Juno - offenbar ohne monetäre Hintergedanken. Im Gegensatz zu ihr scheint er fast immer ehrlich zu sein. Wer beutet hier wen aus? Oder haben sich einfach durch Zufall zwei Einsame gefunden?
Für einen Roman ist das Gebotene etwas halbgar. Vieles wird in dem Buch kurz angetippt, kaum etwas näher beleuchtet. Gute Unterhaltung, aber literarisch nicht nahrhafter als ein nächtlicher Snack.