

Sebastian Gilli in FALTER 48/2021 vom 03.12.2021 (S. 36)
Das Buch der Stunde zur Corona-Pandemie hat die österreichische Schriftstellerin Verena Stauffer nicht geschrieben, obwohl "Geschlossene Gesellschaft" die "Kronenkrankheit", wie das pandemische Übel genannt wird, zum zentralen Thema hat. Es ist erschreckend, über die Gegenwart zu lesen, die uns allen in den Knochen steckt, schlimmer noch: die sich etwa neun Monate nach der Niederschrift nur umso schrecklicher darstellt.
Benjamin von Stuckrad-Barre gab im Falter-Interview den Ratschlag, in der Krise nicht über die Krise zu schreiben. Wer im vierten Lockdown dennoch Gusto auf einen Roman über Lockdown zwei und drei hat, liest sprachlich und stilistisch sehr schöne Tagebucheinträge einer Ich-Erzählerin, die frappant an die Autorin erinnert. Sie erledigt Online-Bestellungen (drei Matratzen!), sinniert über ihre Reisen nach Russland oder trifft "frischgetestet" endlich wieder Freunde.