

Vom IT-Spezialisten zum Pizzabäcker, von Sizilien wieder zurück nach Berlin
Klaus Nüchtern in FALTER 37/2019 vom 13.09.2019 (S. 38)
„Du bist zeit deines Lebens träge gewesen. Auf dem Schild deines Wappens wäre nichts als eine einzelne Sänfte. Als Umrandung evtl. Weinblätter.“ So sieht das leicht sarkastische Selbstbild von Darius Kopp aus, und weit daneben liegt er damit nicht.
Terézia Moras Antiheld hatte 2009 seinen ersten Auftritt in dem Roman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ und ist 2013 in „Das Ungeheuer“ nach dem Suizid seiner depressiven Frau durch halb Europa gereist. Drei Jahre sind seitdem vergangen, ehe er sich im finalen Teil der Trilogie auf Sizilien wiederfindet, wo er sich mit Gelegenheitsjobs und als Pizzabäcker über Wasser hält.
Bevor die Roadnovel wieder in die Gänge kommt, begegnet Kopp noch zwei auf Sizilien hängengebliebenen Landsleuten, seiner Schwester und später deren Tochter. Die 17-jährige Nichte hört auf den schönen Namen Lorelei und ist, wie ihre permanenten Kotzattacken ahnen lassen, schwanger. Mit Kopps Schwester hat sie schon davor gebrochen: „Meine Mum hat mich schon vor einem Jahr rausgeschmissen. Sie kann mich nicht leiden, und ich kann sie nicht leiden.“ Sie ist jetzt offenbar Kopp anvertraut, und dieser hat sich entschlossen, Lore zurück nach Berlin zu begleiten.
„Ich könnte auf einem Seil schlafen“, merkt Kopp einmal an, als die beiden wieder einmal damit beschäftigt sind, eine Unterkunft aufzustellen. „Auf dem Seil“ betitelt sich entsprechend der Roman und verweist damit einerseits auf den Zustand der Erschöpfung, den eine solche Schlafposition voraussetzt und zugleich auf den damit einhergehenden Balanceakt. Angesichts der nur sehr spärlichen Barschaft, die ihnen zur Verfügung steht, gerät die Rückkehr von Onkel Darius und Lore zum Dauerprovisorium: Man ist auf Freunde und Bekannte angewiesen, die die erwartete oder erbetene Hilfe leisten – oder eben auch nicht.
Zurück in Berlin wird Kopp mit den Trümmern seiner alten Existenz konfrontiert: Freunde, denen er seit Jahren Geld schuldet, eine Wohnung, die mittlerweile zwangsversteigert wurde – und ein Schließfach mit 39.950 Euro in bar aus dubioser Herkunft. Das ist nicht nichts, aber auch keine Grundlage für ein Leben in der Sänfte. Kopp beginnt sogar, Stellenangebote zu sichten, an Qualifikationen mangelt es ihm ja nicht, allerdings ist die IT-Welt in den drei Jahren seiner „Auszeit“ nicht stillgestanden.
„Auf dem Seil“ kommt ohne Pathos und erhobenen Zeigefinger aus, lässt sich aber dennoch als diskretes Plädoyer für Fürsorglich- und Freundlichkeit verstehen. Zugleich bricht der Roman eine Lanze für Gelassenheit. Vorerst jedenfalls will Kopp seinem jüngsten Job nachgehen: „Und wenn ich weiter Pizza backe, ist das auch okay.“